Die Hoppe-Chronik (7): Skandal! Nur 97 Prozent für die SED und die Blockparteien

(6) -> 24.7.2013

Irene Hoppe – eine Neu-Vehlefanzer Lebenschronik (7): Vom Alltag in der DDR als Bürgermeisterin / 1987 zwingt sie die Gesundheit zum Rücktritt

MAZ Oranienburg, 26.7.2013

NEU-VEHLEFANZ
Ein bisschen geärgert hat sie das schon, obwohl es aus heutiger Sicht eine Lappalie ist. Bei einer Kommunalwahl in den 70er-Jahren erreichte die „Nationale Front“, bestehend aus der SED und den Blockparteien, in Neu-Vehlefanz „nur“ 97 Prozent der Wählerstimmen. „Das war der schlechteste Wert im ganzen Kreis Oranienburg“, erinnert sich die heute 83-Jährige. „Ich musste nach Oranienburg zum Rat des Kreises fahren und erklären, wie es dazu kommen konnte.“ Sie selbst war nicht in der SED, sagt sie. „Ich wurde auch nie dazu gedrängt oder dazu aufgefordert. Vielleicht wollten sie auch eine Parteilose für den Posten haben.“
Das Wahllokal befand sich immer im Klein-Ziethener Saal, um 8 Uhr am Morgen ging es los. „Der oder die erste an der Wahlurne erhielt von uns immer einen Blumenstrauß.“ Es soll einige ältere Damen gegeben haben, die, um ihn zu bekommen, um die Wette gelaufen sind. Nach 18 Uhr fand die Auszählung der Stimmen statt. „Da konnte ich immer zusehen.“ Über eventuelle Wahlfälschungen, davon war später in der DDR immer wieder die Rede, kann sie nichts sagen.

Es gab nur wenige Telefone in Neu-Vehlefanz, eines befand sich im Amtshaus in Klein-Ziethen, außerdem eines im Konsum und in der Post in Wolfslake. Eine Privatperson besaß ebenfalls einen Fernsprecher. „Im Notfall haben wir den Mann auch mal nachts rausgeklopft.“

Ein wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit als Bürgermeisterin war die Jugendarbeit. „Jeden Monat war Versammlung bei mir im Büro in Klein-Ziethen.“ Es gab Filmabende für die jungen Leute, zum Beispiel mit „Ehe im Schatten“, hinterher ist darüber diskutiert worden. Aber eigentlich wollten die Jugendlichen viel lieber die Komödien von Louis de Funès sehen.
Es war ein 7. Oktober, der „Republikgeburtstag“, da kam es in Neu-Vehlefanz zu einem Zwischenfall. „Jemand hat Fahnen abgerissen“, erinnert sich Irene Hoppe. „Es kam ein junger Bengel zu mir. Er wollte wissen, ob er ein Verräter sei, wenn er mir sagt, wer das war.“ Sie hat sich die Namen der Jungen sagen lassen, sie jedoch nicht verpfiffen. „Bei der nächsten Jugendversammlung habe ich die beiden nur angeguckt. Ich habe sie getadelt, ohne sie zu tadeln. Danach ist so was nie wieder passiert.“
Die Jugendlichen im Dorf haben sich aber nicht alles vorschreiben lassen. Als Irene Hoppe eines Tages für eine Feier Tischdecken und Blumen zur Verzierung bereitstellen wollte, winkten die Leute ab. „Tischdecken? Wozu?“ Dennoch hat die Bürgermeisterin alles so drapiert, wie sie es schön fand. „Ich war stolz auf mein Werk.“ Das Ergebnis: Als die Feier im Saal so richtig losging, haben die jungen Leute alles wieder abgeräumt. „Ich war einerseits enttäuscht, andererseits fand ich das lustig.“

Mit der Zeit war Irene Hoppe mit ihrer Arbeit jedoch überlastet. „Ich bin krank geworden.“ Sie war blass, ihr wurde schwindlig. Mit gerade mal 57 Jahren musste sie ihren Posten aufgeben. Der Arzt hat es ihr verordnet. „Ich wurde zum Rentner gemacht.“ 1987 schied sie aus dem Amt aus.
Sie kümmerte sich nun um ihr großes Grundstück, machte Handarbeiten und begann an der Chronik zu schreiben. Nach dem Mauerfall im November 1989 reiste sie in den 90er-Jahren noch viel herum. „Ich hatte ein bewegtes Leben“, sagt Irene Hoppe. „Ich habe gesehen, was ich wollte, nun bleibe ich hier.“

(Schluss)


Beitrag veröffentlicht

in

von

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert