Oh Boy

Ist noch Kaffee da?
Gerade alle geworden.

Dieser Niko (Tom Schilling) – was macht der eigentlich den ganzen Tag?
Er denkt nach. Über sich. Über die anderen. Über seinen Vater. Über … joa … dies und das. Letztlich macht er: nichts.
Niko ist Ende zwanzig, sein Studium hat er schon vor zwei Jahren geschmissen, er denkt, sein Vater weiß davon nichts. 1000 Euro bekommt er von ihm im Monat. Noch. Als die Bankkarte vom Automaten geschluckt wird, ist klar: Irgendwas ist anders.
Aber Niko hat sowieso andere Dinge im Kopf. Da ist seine neue Wohnung, die noch nicht eingerichtet ist. Womit auch? Der Nachbar, der ihm seine Probleme erzählt. Die Freundin, die jetzt seine Ex-Freundin ist. Der Kumpel, der ihm zu einem Filmdreh mitschleppt. Die ehemalige fette Klassenkameradin, die jetzt gar nicht mehr fett ist – aber trotzdem seltsam. Der alte Mann (toll: Michael Gwisdek), der in der Kneipe Niko seine Geschichte erzählt. Und – ja, verdammt noch, dass es nirgendwo mehr vernünften Kaffee gibt!

Oh Boy!, möchte man ihm gern zurufen.
„Oh Boy“ heißt auch das Langfilmdebüt von Jan Ole Gerster, gedreht in schwarz-weiß in einer pulsierenden Metropole – Berlin (mit dem Bahnhof Schönfließ in einer Nebenrolle).
Wir begleiten Niko einen Tag lang durch sein Leben. Und das tut bisweilen ganz schön weh. Wenn Niko beim Idiotentest sitzt, tut das weh. Denn der Psychologe ist ein Arsch. Wenn sich Niko das Leid des Nachbarn anhören muss, tut das weh. Denn der Nachbar ist ein armes Würstchen. Wenn sich Niko im Café zwischen zig Kaffeesorten entscheiden muss und dafür 3,40 Euro hinlegen muss, dann tut das weh. Denn 3,40 Euro hat Niko gar nicht dabei. Wenn sich Niko ein beklopptes, aber angeblich kulturell total wertvolles Tanztheaterstück ansieht, dann tut das weh. Denn kulturell total wertvolles Tanztheater ist nahezu unerträglich und unfreiwillig komisch. Wenn sich Niko das Gezeter seines Vaters (und Geldgebers) anhören muss, dann tut das auch weh. Denn Papa hat leider recht.
Der Film hat Züge einer Komödie, dabei ist er eigentlich todtraurig und melancholisch. Er hat durchaus witzige Momente – die aber gleichzeitig ebenfalls traurig sind -, extrem rührende und erhellende.
In schönen Nebenrollen sind Michael Gwisdek, Justus von Dohnányi, Frederick Lau zu sehen.
Tom Schilling – der immer noch aussieht wie ein Teenie – spielt den verunsicherten jungen Mann, der sich nach etwas sehnt, wovon er selbst noch keine Ahnung hat, einfach wunderbar. Schwach, zerbrechlich, in den Tag hinein lebend, scheinbar ohne Ziel. Man sympathisiert mit Niko, gleichzeitig wünscht man ihm so sehr, doch endlich zuzupacken und aus dem seltsamen Vakuum herauszukommen.

Und, gibt’s noch Kaffee?
Na, mal sehen.

8/10


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Kommentare

2 Antworten zu „Oh Boy“

  1. ThomasS

    Laut IMDB vollendet Tom Schilling im Februar kommenden Jahres sein 31. Lebensjahr. Ich habe ihn zuletzt in der Groteske „Mein Kampf“ (nach einem Theaterstück von George Tabori) an der Seite von Götz George als jungen Hitler gesehen. Da sah er wirklich noch aus wie ein Teenie. Und der Film ist erst 3 Jahre alt.

    Ob das wirklich nur an regelmäßigem Sport, an gesunder Ernährung und an disziplinierter Lebensführung liegt?
    Oder ob da auf irgendeinem Speicher ein geheimes Bildnis von ihm existiert? 😉

  2. […] inhaltlich? “Oh Boy” ist völlig zurecht mit Lolas überschüttet worden. Er hat wesentlich mehr Zuschauer […]

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