Verliebt in Bötzow

„Hier sind wir richtig“: Pfarrer Andreas Fincke will die Kirche wieder näher zu den Menschen bringen

MAZ Oranienburg, 6.7.2012

Dass der 53-Jährige die Pfarrstelle in Bötzow antreten konnte, bezeichnet er als „Geschenk des Himmels“. Vorher war er in der Politik tätig.

BÖTZOW
Wer Andreas Fincke in seinem Bötzower Pfarrhaus besucht und klingelt, bekommt es gleich mit einem bekannten Glockenspiel zu tun: das von „Big Ben“ in London. Dagegen klingen die Glocken der Kirche nebenan recht konventionell.

Andreas Fincke sagt, er sei verliebt – in Bötzow und die umliegenden Dörfer. Der in Halle an der Saale Geborene arbeitet zwar schon seit März 2011 als evangelischer Pfarrer in Bötzow, aber erst am Sonntag feierte er offiziell seinen Dienstantritt. „Dabei bin ich wie die Jungfrau zum Kinde gekommen“, erzählt er.
Tatsächlich hat der 53-Jährige schon einiges erlebt, Bötzow jedoch ist seine erste Pfarrstelle. „Ich habe mich lange mit dem Thema Sekten beschäftigt“, sagt er. In seinen Recherchen ging es um das Phänomen von kleinen, hochengagierten Gruppen: „Wer dazu gehört, ist im Kreis der Geretteten, ansonsten ist man verloren, so denken sie.“ Andreas Fincke hat darüber ein Buch veröffentlicht.
Später beschäftigte er sich im Konsistorium der Landeskirche Berlin-Brandenburg mit Grundsatzfragen. „Es ging zum Beispiel darum, an wen wir Kirchen vermieten oder verkaufen dürfen.“ 2008 bis 2010 schnupperte Fincke in die Berliner Politik. Er war der persönliche Referent vom damaligen Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD). Nach zwei Jahren jedoch bat er um Freistellung. „Ich wollte wieder mehr mit den Menschen zu tun haben.“

Dass die Pfarrstelle in Bötzow frei war, bezeichnet er als „Geschenk des Himmels“, als seine Stunde. „Wir sind von den Menschen derart offen, freundlich und wohlwollend empfangen worden, dass wir wussten: Hier sind wir richtig.“ Für Fincke und seine Frau war der Umzug dennoch ein kleiner Kulturschock: Davor lebten sie in einem Kneipenviertel in Berlin-Prenzlauer Berg. „Da fragt man sich natürlich schon: Passen wir hierher?“ Die Antwort haben sie inzwischen gefunden.

In den vergangenen Monaten glich das Pfarrhaus an der Dorfaue einer Baustelle. „Wir haben viel getan, auch im Garten.“ Von den Mitgliedern der Gemeinde, die Bötzow, Wansdorf, Pausin und neuerdings auch Grünefeld umfasst, haben sie Bäume geschenkt bekommen. Darüber freut er sich, als Stadtkind hatte er mit Gärten bislang wenig tun. „Die Leute denken, ich nehme sie auf den Arm, wenn ich den Unterschied zwischen Unkraut und Nutzpflanzen nicht kenne“, sagt Andreas Fincke und lacht.
19 Kinder hat er bereits in der Region getauft. Sein Ziel ist es, die Menschen näher zusammenzubringen. „Ich habe lieber einen Gottesdienst in einer vollen Kirche, als drei schlecht besuchte.“ Das Problem sei, dass die Bewohner der Dörfer auf ihre Gottesdienste im Ort beharren würden. „Einerseits sind wir beweglich, nur bei diesem Thema nicht. Da heißt es: Nach Bötzow kommen wir nicht.“ Ohne die Konzentration auf bestimmte Standorte werde die Organisation immer schwieriger.

Etwa 1200 Mitglieder betreut Fincke. In Bötzow und Pausin ist alle 14 Tage Gottesdienst, in Wansdorf und Grünefeld alle vier Wochen. In seinen Predigten bemüht er sich, viel zu erklären. „Manchmal werde ich dafür kritisiert“, sagt er. „Die Leute sagen, ich halte eine Vorlesung.“ Aber der Pfarrer will, dass sie ihm folgen können, verstehen, was er ihnen sagen will. Demnächst möchte er ein Angebot für Erwachsene mittleren Alters etablieren, abseits der klassischen Gottesdienste: „Ich denke an Gespräche beim Wein.“ Vortragsabende, Gesprächskreise, auch zu lokalen Themen. „Die Leute wittern da immer gleich eine Mission, aber darum geht es mir nicht“, so Fincke. Vielmehr möchte er mehr kulturelle Angebote aufs Dorf holen. „Gerade in Wansdorf oder Pausin gibt es so was ja kaum noch.“

Aber auch bei Konflikten kann die evangelische Kirche zu Lösungen beitragen. „Ich bekomme die Streitigkeiten um den Bus oder den Misthaufen schon mit“, sagt der Pfarrer. Er sieht bei vielen der Konflikte vor allem eine gewisse Trennung zwischen den Alteingesessenen und den neuen Bewohnern. „Diese Spaltung müssen wir überwinden. Es tut den Orten auch mal ganz gut, wenn jemand Neues andere Ideen einbringt.“ Das gilt natürlich auch für ihn selbst, und er freut sich sichtlich darauf.


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