Versteckt im tiefen, tiefen Wald

Früher haben das die Kinder gespielt: Eckstein, Eckstein, alles muss versteckt sein. Heute machen das die Hohen Neuendorfer Jugendlichen auch, aber auf ganz moderne, spannende Art: „Hiding in H-Town“. Und ich habe mich einfach mal mitversteckt.

Treffpunkt: der Bahnhof Hohen Neuendorf. Etwa 25 Jugendliche sind dabei. Sie alle wollen Paul suchen. Paul Aurin veranstaltet das Versteckspiel schon zum dritten Mal. Nachdem er alle begrüßt hat, setzen er und ein Freund sich auf ihre Fahrräder. Ziel: irgendein Ort in Hohen Neuendorf. Beim letzten Mal war es die Niederheide. Heute treffen wir uns an der Tankstelle neben dem Gewerbegebiet kurz vor Berlin-Frohnau.
Tipps, wo er sich aufhalten könnte, bekommen die Teilnehmer per Facebook. Paul stellt Fotos rein, Kommentare oder andere Hinweise.

Ich fahre vor. Zum Glück können mich die anderen nicht sehen, und sie wissen auch nicht, was für ein Auto ich fahre.
Wenig später radeln Paul und sein Begleiter heran, sie verstecken ihre Räder auf einem Parkplatz und los geht’s.

Man wird sehr schnell paranoid. Da, dieses Auto – gehört das einem der Teilnehmer? Und da vorne, der Radler! Gehört der auch zu uns?
Wir laufen die Gewerbestraße rein, verstecken uns in einer kleinen Nebenstraße. Ansonsten entdecken uns die anderen zu schnell.
Paul und seine Begleiter sind per Konferenzschaltung miteinander verbunden. In Wirklichkeit sind es nämlich drei Begleiter. Einer davon ist ein Lockvogel, die anderen wissen nicht, dass er zu Paul gehört.

Wir stehen neben einem Werbebanner: „Hier in Hohen Neuendorf“. Paul tippt es als ersten Hinweis in sein Handy ein. Dann noch die Hauswand gegenüber, die wird fotografiert. Und noch ein Schild: Betriebsgelände. Nach und nach sollen die Fotos bei Facebook veröffentlicht werden.
Wir laufen weiter an den Waldrand, einen schmalen Pfad entlang. Gerade soll ein weiteres Foto entstehen, als in der Ferne zwei Radfahrer auftauchen. Paul springt in die Büsche, wir rennen ein Stück den Weg entlang. Wir sind völlig außer Atem. Jetzt ahne ich: Das wird stressig. Aber es macht Spaß. Es ist spannend.
Die Radler rufen etwas, es scheint, als hätten sie uns entdeckt. Wir laufen weiter in Richtung Wald. Paul hockt irgendwo in den Büschen.
Bald ist es wieder ruhig. War wohl falscher Alarm.

Wir sollen weiter den Weg entlanggehen, Paul will es so. Er sagt uns das aufs Handy. Wir begegnen einem Spaziergänger. Er scheint nicht zum Spiel zu gehören. Trotzem: Er bleibt plötzlich stehen, sieht sich um. Sucht er doch den Paul? Atemlose Stille. Wir starren in die Ferne. Langsam wird es schummrig. Der Mann läuft weiter. Wieder falscher Alarm.

Das Abenteuer geht weiter. Über Stock und Stein durch den Wald. Einen Hügel hinauf. Genau genommen haben wir schon Berliner Stadtgebiet erreicht. Frohnau. Aber auf dem Hügel haben wir einen Blick über das ganze Gewerbegebiet. Dort treffen wir auch Paul wieder.
Inzwischen legt sich die Dunkelheit über die Stadt. Da vorne, auf der Straße vor der Tankstelle, ist ein Moped zu hören. „Da sind sie“, flüstert Paul.
Wir laufen weiter durch die Büsche. An der B96 verstecken wir uns. Paul telefoniert. Er wartet auf das Signal, über die Straße rennen zu dürfen. Einer seiner begleiter steht in der Nähe der Tankstelle.

Wir rennen los. Über die Straße. Wieder in den Wald. Rein in die Dunkelheit. Gebüsch. Gehölz. Es raschelt, es knackt. In den Waldweg, den wir gerade entlanggerannt sind, fährt ein Moped. Die Verfolger. Wir starren hin, bleiben ruhig stehen. Aber das Moped dreht um.
Wir laufen weiter, sind inzwischen hinter der Tanke.

Weiter geht’s. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich mal im Grenzwald zwischen Hohen Neuendorf und Frohnau rumtreiben würde – und das in der Dunkelheit. Inzwischen sind alle Teilnehmer in der Gegend rund um das Gewerbegebiet. Überall wuselt es. An der Tankstelle. Auf der B96. Überall Menschengrüppchen. Es ist spannend. Wir bewegen uns nur langsam voran. Uns darf niemand sehen.
Unser Problem: Wir sind eigentlich in einer Falle. Wir müssen irgendwo wieder über die Straße, um irgendwo im Gewerbegebiet unterzutauchen. Einer der Begleiter rennt vor, sondiert die Lage. Ich entschließe mich, auch nachzulaufen. Allerdings laufe ich ganz langsam. Ich will niemanden auf mich aufmerksam machen.

Offenbar setzt Paul setzt ein Foto von der Tankstelle auf die Facebook-Seite. Daraufhin rennt eine ganze Gruppe Suchender hin – aber Paul ist längst woanders. Er hockt immer noch im Gebüsch. Ich kann ihn sehen.
Ich ducke mich unterdessen hinter die Büsche an der B96. Dort jedoch werde ich schnell entdeckt. Ein Mann und eine Frau rennen auf mich zu. Sie wissen schließlich, dass ich Paul begleite. Also: begleitet habe. Das ist die für sie betrübliche Nachricht. Ob ich weiß, wo er ist. Ich zucke mit den Schultern. Wir haben uns verloren, sage ich. Stimmt ja auch, irgendwie.

Zwischen Bahnbrücke und Tankstelle herrscht ein reges Treiben. Ich laufe zu einer Gruppe junger Männer. Sie scheinen ratlos zu sein. Die Suche dauert inzwischen fast zwei Stunden. „Paul gibt übelst beschissene Tipps“, sagt ein Mädchen, das angelaufen kommt. Aber irgendwo hier müsse er sein. Sie habe aber, sagt sie, keine Lust, da drüben in die Büsche zu steigen. Und ich denke: Würdest du es tun, hättest du fast schon gewonnen.

An der Tankstelle gibt es ein paar Minuten danach Jubel: Paul ist gefunden worden. Irgendwo in den Büschen im Wald. Zwei Stunden haben sie gebraucht.

Alle haben ihren Spaß. Und alle sind sie froh, was für einen Aufwand sich Paul macht. Die Aktion zeigt aber auch, was in der Kleinstadt möglich ist, wenn man sich engagiert. Und was man mit der neuen Technik alles machen kann.
Bevor es losging, sagte eine der Teilnehmerinnen: „Das ist ein echtes Abenteuer. Das wird richtig aufregend.“
Ganz genau: Es war ein Abenteuer. Eins ehr spannendes, außergewöhnliches.
Das nächste Versteckspiel soll erst 2012 stattfinden.

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