Allein unter Senioren

Porträt: Andy Vierath (32) hilft beim Verein in der Fehrbelliner Gartenstraße

MAZ Neuruppin, 23.3.2011

Seit mehreren Jahren bekommt Andy Vierath Hartz IV. Für einen neuen Job würde der Fehrbelliner sogar die Stadt verlassen.

FEHRBELLIN
Hätte Andy Vierath einen Führerschein, dann wäre alles anders. Aber die Fahrschule konnte sich der 32-Jährige nie leisten. Andererseits würde er als gelernter Kaufmann im Einzelhandel das Dokument dringend brauchen. Ein Teufelskreis.

Seit Januar arbeitet Vierath als Hilfskraft im Fehrbelliner Seniorenverein Rhinluch. Von Montag bis Donnerstag sperrt er morgens um halb neun die Tür auf, macht sauber, räumt auf, repariert, ordnet Akten oder kümmert sich um den Hof. Gegen Mittag kommen die ersten Vereinsmitglieder. „Mir macht das echt Spaß hier“, sagt Andy Vierath. Die Stelle hat ihm die Arbeitsagentur vermittelt. „Mir ging es darum, dass ich was zu tun habe.“
Aus dem bloßen Job ist aber schnell mehr geworden. „Die alten Leute hier sind ja alle noch sehr fit, mit ihnen kann man sich sehr gut unterhalten, und sie verstehen mich auch.“ Japan, Libyen – die Gesprächsthemen im Verein sind immer auf der Höhe der Zeit.

Eigentlich jedoch ist der Fehrbelliner Kaufmann. Nach der Lehre bekam er zunächst keine Arbeit. Er erhielt Hartz IV und nahm einen Ein-Euro-Job bei der Gab in Protzen an. 2007 der scheinbare Durchbruch: eine Stelle bei einer Supermarktkette in Neuruppin. Nach der Probezeit ist er jedoch nicht übernommen worden. „Nach einem Monat war Schluss“, sagt Vierath. Dabei sei er immer pünktlich gewesen, bei Wind und Wetter fuhr er mit dem Rad von Fehrbellin nach Neuruppin.
Nun schreibt er mehrere Bewerbungen pro Monat, bekommt wieder Hartz IV. „Aber ohne Führerschein kommt man ja nicht weg“, sagt er. Fehrbellin für eine neue Arbeitsstelle zu verlassen, wäre für ihn kein Problem. Aber wer sagt ihm, dass er nach der Probezeit tatsächlich übernommen wird? In der Stadt selbst sieht er kaum Chancen auf Arbeit in seiner Branche. „Außer Aushilfsjobs für geringen Lohn.“ Das wäre für ihn an sich durchaus eine Alternative, aber auch da müsste er finanzielle Hilfe beantragen. „So arbeite ich lieber beim Seniorenverein“, so Vierath. Dafür bekommt er eine Mehraufwandsentschädigung (MAE) in Höhe von 132 Euro – bis zum 4. Mai. Was danach kommt, weiß er noch nicht. „Ich hoffe, dass die Stelle um ein halbes Jahr verlängert wird“, sagt Andy Vierath.

Mit dem Hartz-IV-Geld hat der Fehrbelliner am Ende 200 Euro zum Leben. Viel kann er sich davon nicht leisten. „Ich muss ja was zum Essen haben.“ Raucher ist er auch. „Leider“, sagt er. Wenn was übrig ist, geht er sich auch mal etwas Neues zum Anziehen kaufen – damit er nicht so runtergekommen aussieht. „Manche Leute lassen sich total gehen“, sagt der 32-Jährige. Im Seniorenverein haben sie ihn mit offenen Armen empfangen. „Wir haben zum ersten Mal einen so jungen Mann bei uns“, erzählt die Vereinsvorsitzende Anneliese Fiebelkorn. Mit Vieraths Arbeit ist sie zufrieden.
„Ich bin froh, dass ich hier etwas zu tun habe“, sagt er. „Wenn ich am Nachmittag nach Hause gehe, habe ich ein gutes Gefühl.“ Das Schlimmste wäre, zu Hause vor dem Fernseher zu versauern – oder auf dumme Gedanken zu kommen.


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