Sein Weg

Die Rede für ihn an seiner Urne.

*
Seht euch um, wie viele Menschen gekommen sind.
Vor vier Wochen hätten wir nicht gedacht, dass wir hier stehen. Es war Heiligabend, auch nach 14 Uhr, so wie jetzt. Er hat seinen Obstsalat gemacht. Den Obstsalat, den wir alle so gerne mochten.
Dann, vier Tage danach, am 28. Dezember, ging alles ganz schnell – von einer Sekunde auf die andere.
Dabei war er doch immer ein Stehaufmännchen – und nicht nur gesundheitlich
Erinnert euch an euer letztes Zusammentreffen.
Wo er auch war, meist stand er im Mittelpunkt – und meistens im positiven Sinne. Auf den vielen Partys machte er gerne seine Witze – auch wenn wir sie alle schon kannten – er erzählte sie trotzdem. Von der Gefangenschaft, in der er nie war – Egal, ob wir das alles 10.000-mal gehört haben, es war immer wieder lustig.
Wir alle kennen ihn als Hans Dampf in allen Gassen.

Und dabei fing alles recht beschwerlich an.
1941 wurde er in Nassadel geboren, seine Mutter ist dafür extra nach Schlesien gefahren, weil unser Haus noch nicht fertig war.
Er erlebte als Kind den Krieg, den Bombenhagel und die Hungersnot nach dem Krieg. Er schlug sich immer durch.
Es folgte die Schule, seine Lehre als Maschinenschlosser in Nieder Neuendorf. Dann die NVA. Später arbeitete er im Rußwerk, dann bei der PGH Schiroba, in der Raumzelle. Anfang der 80er dann sein eigener Betrieb. Es war nicht immer einfach, Material war schwer zu bekommen – aber er schlug sich durch, er kannte immer Leute, wusste, wo es was gibt. Und alles legal. Also, meistens.
Dann kam die Wende, und er erwies sich als guter Geschäftsmann, sah mutig nach vorn, ging neue Wege, nahm Hilfe an. Die Firma florierte.
Aber es gibt auch Rückschläge, die tiefe wirtschaftliche Krise. Aber auch hier: Er blickte positiv voraus, hatte keine Panik, verbreitete keine Panik, hatte einen Ausweg.

Dasselbe gilt für die Gesundheit – jede schwere OP überstand er, war immer wieder oben auf. Er sagte: Es wird alles wieder gut.
Und immer war er für alle da.
Was seine Ehe angeht: Meine Eltern waren 41 Jahre verheiratet – mehr muss man dazu gar nicht sagen.
Klar, es war nicht immer einfach mit ihm – und nicht immer war das so klar: Er war ein guter Vater. Er unterstützte uns, stubste uns auch mal an, ärgerte uns – und das eigentlich immer zum Wohle aller.
Das eine oder andere Schimpfwort fiel schon mal – aber das kennen ja die meisten von uns.

Er war ein sehr präsenter Mann. Wir sehen es hier – so viele Leute sind gekommen. Er wird allen fehlen – an allen Ecken und Enden. Und die Liste ist sicher nicht vollständig:
Wir, die Familie. Die Nachbarn in der Straße. Seine Freunde. Der Oldtimerclub. Die Frühstücksrunde. Die Behindertenwerkstatt der Caritas.

Er hatte wahnsinnig viele Hobbys: Neuerdings sammelte er Lötlampen, ich weiß bis heute nicht so genau, was man damit macht. Natürlich die Oldtimer, Motorräder, Traktoren, Feuerwehrfahrzeuge, Zollstöcke – und natürlich BMW.
Bei aller Trauer an diesem 28. Dezember: Wir haben ein bisschen gelächelt: Der größte BMW-Fan Oranienburgs wird im Sarg mit einem Mercedes abtransportiert. Er hätte das ganz sicher kommentiert.

Er hatte noch so viel vor: ein Oldtimer aufbauen und verkaufen. Er wollte einen Traktor umrüsten und einen Schneeschieber davorbauen – um die Straße zu räumen. Und natürlich der 70. Geburtstag.

Der 28. Dezember war ein ganz normaler Tag – er war unterwegs, er kam nach Hause – und dann war er am plötzlichen Ende seines Weges
Aber ich bin mir ganz sicher: Er wird uns weiter beobachten – wie wir unseren Weg gehen werden.

*
Bei aller Trauer: Es war eine würdige, besinnliche Trauerfeier. Danke an alle, die dabei waren oder an uns gedacht haben. Danke an den Pfarrer für seine Worte, an das Bestattungsunternehmen Tolg und an die Mitarbeiter der „Alten Fleischerei“.


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Kommentare

Eine Antwort zu „Sein Weg“

  1. Nina Clara Tiesler

    Lieber Robert,
    vielen lieben Dank fuer die schoene Rede. Du hast wirklich die richtigen Worte gefunden, hier wie auch sonst. Und er war gewiss stolz auf dich und dankbar.
    Liebste Gruesse,
    deine nc

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