Böller begrüßen den Weihnachtsmann

Bayern: Im Berchtesgadener Land begehen die Menschen einige hierzulande noch recht fremde Adventsbräuche

MAZ, 11.12.2010

Wenn der Buttnmandlmoasta kommt, ins Arschpfeifenrösserl bläst und das Christkind anschießt – dann ist das in Berchtesgaden ganz normal

Eine Woche vor Heiligabend beginnt in Berchtesgaden an der bayerisch-österreichischen Grenze jeden Nachmittag der große Radau. Dann schießen die Weihnachtsschützen das Christkind ab. Das klingt zwar gefährlich und auch irgendwie bitter für die Kinder, die sich auf den Weihnachtsmann freuen, ist in Wirklichkeit aber „nur“ ein Salut.
„Wir begrüßen das Christkind“, erzählt Franz Pfnür. Der 61-Jährige stellt in seinem Betrieb in Maria Gern die Geräte her, mit denen geböllert wird. „Das ist keine Waffe, sondern ein Gerät“, so der Handwerker. Den Brauch gibt es seit 1666. Ab dem 17. Dezember treffen sich die Schützen immer um 15 Uhr und böllern eine Viertelstunde lang. „Dann hallt es im ganzen Ort“, sagt der Böllermacher. Sie treffen sich auf dem Schießplatz oder auch direkt an ihren Häusern. Gefährlich sei das nicht, so Pfnür, geböllert werde immer nur in den Himmel. Frauen dürfen da nicht mitmachen, nur unbescholtene Männer – also jene ohne Vorstrafen. Man weiß ja nie.

Das angeschossene Christkind ist nicht der einzige Brauch in der Berchtesgadener Adventszeit. So sieht der Weihnachtsbaum in der Region im äußersten Süden Bayerns anders aus als hierzulande: ohne Kugeln und Lametta, stattdessen hängt Holzspielzeug an den Ästen. Die „Berchtesgadener War“ ist das bekannteste Kunsthandwerk der Region. Zu ihnen gehört das Arschpfeifenrösserl, ein Holzpferd, dessen Schweif eine Pfeife ist, in die man reinblasen kann. Der Ramsauer Holzspielzeugbauer Stefan Graßl stellt sie her. „Seit 1911 gibt es diesen Christbaumschmuck“, erzählt er. Schon davor, ab dem 16. Jahrhundert, verdienten Handwerker und Hausierer den Lebensunterhalt mit dem Verkauf des Spielzeuges. In Graßls Werkstatt befindet sich das Sammelsurium der Holzspielzeugkunst: Häuschen, Hühner-ställchen, Kutschen, Schlitten. Besinnlich schön und erstaunlich wenig kitschig.

Am Tag vor Nikolaus ist’s jedoch Aus mit der Besinnlichkeit in der Region. Dann kommen die Buttnmandln. Kinder in Berchtesgaden warten in diesen Tagen nicht auf den Nikolaus an sich, sondern auf die verkleideten jungen Männer, die von Haus zu Haus zu wandern. Sie sehen unheimlich aus, in einem Kleid aus Stroh – sehr viel größer und breiter als der Mensch darin. Dazu eine Maske und mehrere große Kuhglocken, die am Körper befestigt sind.
Mitmachen dürfen junge Männer ab 16 Jahren, einheimisch müssen sie sein, unbescholten (da ist es wieder, das Wort) und unverheiratet. „Wir wollen gar nicht, dass das ein großer Touristenmagnet wird“, sagt Anderl Neumayer. Der 26-Jährige ist Buttnmandlmoasta, also der Chef seiner Basse (Gruppe).
Wer sieht, was sich da abspielt, ahnt auch, was Neumayer meint. Wer ihnen auf der Straße begegnet, riskiert, mit dem Stock gehauen und mit Schuhpaste im Gesicht beschmiert zu werden. Die Männer sind dabei nicht zimperlich. Nichts für Feingeister, aber den Berchtesgadenern gefällt’s. „Das Highlight im Dorf“, meint das gerade geschlagene und beschmierte Mädchen. An den kommenden Wochenenden geht’s weiter. Im Ortsteil Maria Gern sorgen die Buttnmandln Heilig-abend neben den Böllern für ordentlichen Radau.

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Informationen:
Anreise: Verschiedene Airlines bieten Flüge von Berlin nach Salzburg (Österreich) an. Die Bahn fährt über München und Freilassing nach Berchtesgaden.
Unterkunft: Beispielsweise auf dem Obersalzberg bei Berchtesgaden im Intercontinental-Resort (fünf Sterne, Infos unter Tel.: 08652/97550) oder im Hotel „Edelweiss“ im Stadtzentrum (vier Sterne, ab 89 Euro pro Person und Nacht).
Ausflüge: Mit dem Schiff von Königssee zur Halbinsel St. Bartholomä. In der Wallfahrtskirche wird im Advent Musik gespielt und Ludwig Thomas Weihnachtsgeschichte vorgetragen. Christkindlmärkte befinden sich in Berchtesgaden und Bad Reichenhall. Die Altstädte sind weihnachtlich geschmückt. Auf der Bad Reichenhaller Burg Gruttenstein gibt’s den Weihnachtszauber. Im Museum „Schloss Adelsheim“ in Berchtesgaden ist eine Buttnmandlausstellung sowie die Geschichte des Holzspielzeuges in der Region präsentiert. Das Dokumentationszentrum auf dem Obersalzberg zeigt die Geschichte des Ortes. Im Dritten Reich war dort das Urlaubsdomizil von Adolf Hitler und Co.
Auskunft: Berchtesgadener Land Tourismus GmbH, Tel.: 08652/656500, www.berchtesgadener-land.com


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