Vor 20 Jahren (50): Das letzte Mal verließen wir die DDR …

(49) -> 26.9.2010

Dienstag, 2. Oktober 1990.
Die letzten Stunden der DDR. Und nachdem wir ja schon den Mauerfall verpennt haben, wollten wir wenigstens bei der Einheit hautnah sein sein. Unser Ziel: Berlin.

Wir setzten uns ins Auto, verließen Oranienburg. Oranienburg in der DDR, im Bezirk Potsdam. In Hohen Neuendorf fuhren wir auf die Staatsgrenze zu. Einfach so fuhren wir rüber. In den Westen. Raus aus der DDR. Für immer. Wenn wir wiederkommen würden, sollte es keine DDR mehr geben.

In der Nähe vom Zeltinger Platz in Berlin-Frohnau parkten wir unseren BMW und liefen zum S-Bahnhof. Nicht alle Familienmitglieder stellten sich beim Fahrkartenkauf allerdings clever an. Eine hier nicht näher benannte Person (nein, nicht ich) schob das Papierticket so weit in das Stempelgerät, dass es darin veschwand. Und weg war das Ticket. Wir hatten also nun eine Schwarzfahrerin in der Familie.

Der S-Bahnhof Unter den Linden war gesperrt, wir konnten erst am Potsdamer Platz aussteigen. Der Potsdamer Platz war 1990 noch eine kahle Fläche. Wir liefen die Ebertstraße entlang, am zu der Zeit quadrigalosen Brandenburger Tor vorbei in Richtung Reichstag. Unsere Nachbarn, mit denen wir dort unterwegs waren, hatten sich eine Brandenburg-Fahne gekauft, auch eine Deutschland-Fahne hatten wir dabei.

Der Platz vor dem Reichstag war voller Leute. Aus den Lautsprechern dudelte klassische Musik. Bläser spielten getragene Stücke. An der Seite des Platzes standen die Fahnen aller Bundesländer. Aller bisherigen und aller zukünftigen.
23.40 Uhr. Noch 20 Minuten. Langsam kehrte gespannte Ruhe auf dem Platz ein. Die Blasmusik wich einem Glockenspiel. Alle Augen richteten sich auf den noch leeren Fahnenmast.
23.45 Uhr. Wieder Blasmusik. Vorn am Reichstag konnten wir einige Politiker erkennen. Hans-Dietrich Genscher stand da. Und Willy Brandt. Offenbar hatte sich die komplette Politprominenz vor uns auf der Ehrentribüne aufgabaut.
23.50 Uhr. Applaus. Die Deutschland-Fahne wird zum Mast gebracht. Die Leute drängen noch ein Stüpck weiter nach vorn zum Reichstag, einige Polizisten rennen vorn herum, leichte Unruhe. Immer wieder knallen Raketen, die in die Luft steigen. Böller. Und immer noch die ruhige Bläsermusik.

23.58 Uhr. Die Fahne wird an den Mast geknüpft. Noch hängen sie unten, ist sie noch nicht gehisst. Applaus und noch mehr Unruhe. Vorfreunde. Spannung.

23.59 Uhr am 2. Oktober 1990. Die Freiheitsglocke. Die Fahne wird gehisst. Raketen steigen auf. Die letzte Minute. Das Ende der DDR. Gänsehaut.


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