Das Ende einer Generation

93 Jahre sind ein stolzes Alter. Eine sehr lange Zeit mit viel Liebe, Freude, Glück, mit Trauer, Verlust, Angst und schrecklichen Erinnerungen. Mit guten Erinnerungen, Momenten des Lachens, des Weinens, der Erfüllung.
Am Ostermontag endete das 93-jährige Leben meiner Großtante.
Mit ihr starb die letzte Vertreterin ihrer Generation in unserem unmittelbaren Familienumkreis. Ein Urgestein ist von uns gegangen.

Bis zum vergangenen Sommer lebte sie im Nachbarhaus meiner Eltern, mit 92 dann zog sie in eine altersgerechte Wohngemeinschaft. Ihr Erinnerungsvermögen ließ mehr und mehr nach. Ob sie in ihrer letzten Heimstätte richtig glücklich war – ich weiß es nicht.

Sie hat viel erlebt. Kindheit in Schlesien, zum Ende des Zweiten Weltkrieges die Flucht hunderte Kilometer weit, unter widrigsten Umständen. Heute unvorstellbar.

Immer war sie die Tante von nebenan. Ich kannte es nie anders. Oft war ich als Kind drüben. Spieleabende mit ihr, meiner Oma und anderen älteren Damen. Domino war Ende der 80er sehr angesagt. Manchmal auch „Mensch, ärgere dich nicht“. Aber Domino war der Hit. Immer Ende November ging es los, den ganzen Winter durch. Davor war dafür keine Zeit. Sie und meine Oma mussten sich um diverse Gräber auf dem Friedhof kümmern. Im Oktober mussten die Grababdeckungen (Kissen) für die Gräberweihe und den Totensonntag fertig werden. Dazu mussten Kätzchen von Baumzweigen gepflückt werden. Ab und zu half ich dabei.
Auch holte ich oft die Zeitung und die Post aus dem Briefkasten, der damals noch am Anfang unserer Straße stand – und nicht, wie jetzt, direkt am Grundstück. Gern las ich dann auch aus der „Märkischen Volkstimme“ vor. Immer muss ich dran denken, seit ich für die MAZ die Ausgaben von 1989 und 1990 für die Rückblickreihe durchblättere. Vieles von dem, was da so steht, habe ich einst vorgelesen.

Später wurde der Kontakt seltener. Zu Feiertagen und zu ihren Geburtstagen traf sich die Familie in ihrem Garten. Manchmal besuchte sie uns im Sommer auch auf der Terrasse.

Das ist nun vorbei. Sie wird ihre letzte Ruhe finden. Und die Familie wird sie auf diesen letzten Weg begleiten.
Mach’s gut! Und grüß schön!


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2 Antworten zu „Das Ende einer Generation“

  1. […] Sarg stand in der Mitte der kleinen Trauerhalle auf dem katholischen Friedhof. Wir trugen meine Großtante zu Grabe. Der Pfarrer hielt die Trauerrede. Aber was möchte man eigentlich hören, wenn man da so […]

  2. […] Familie traf sich zum Feiern. Meine Großtante wäre 94 Jahre alt geworden. Am Ostermontag ist sie gestorben. Aber weil die Feste bei ihr immer so schön waren und die Familie in dieser Zusammensetzung ja […]

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