Volojahre (42): Zentrales Kompetenzgerangel

(41) -> 23.1.2010

Dies ist die Geschichte einer Recherche. Einer Recherche, die sich als schwieriger erwies wie anfangs gedacht.
Die spannende Frage war: Wie kommen eigentlich Uniformträger mit den klirrend kalten Temperaturen klar? Bundeswehrsoldaten, Polizisten, Müllmänner. Nun gut, eigentlich durfte dabei wenig Neues rauskommen. Sie ziehen sich eben wärmer an. Ich fragte trotzdem nach. Oder versuchte es zumindest.
Der Kampf konnte beginnen.

Kapitel 1. Die Bundeswehr in Geltow.
In Geltow befindet sich ein Bundeswehrstandort. Also suchte ich mir die Telefonnummer raus, um mich von der Zentrale aus zur Pressestelle weiterleiten zu lassen.
Ich wählte die Nummer. Und nach einer Weile hatte ich eine Dame am anderen Ende der Leitung. „Ich würde gern jemanden von der Pressestelle sprechen.“ Daraufhin fragte die Frau: „Die in Schwielowsee?“
Wie jetzt, Schwielowsee? Ich überlegte kurz. Mir fiel ein, dass Geltow zur Gemeinde Schwielowsee gehört. Also, okay, dann eben Schwielowsee.
Die Dame sucht. Und findet nicht. Kein Eintrag in Schwielowsee. Ich präzisiere also: Geltow, sage ich. Und ich ergänze, dass ich ja auch die Geltower Nummer angerufen hatte. Die Dame antwortet, dass ich in der Bundeswehrtelefonzentrale in Hamburg gelandet sei.
Schön. Aber das hilft mir nicht weiter.
Die Telefonistin sucht nun in Geltow nach einer Pressestelle. Und findet sie nicht.
Ich habe vor elf Jahren im IV.Korps in der Pressestelle gearbeitet, da muss es das also geben, sage ich.
Die Frau kennt das Wort Korps nicht. Sie buchstabiert es „Corp“. Und findet natürlich nichts. Wir sprechen nun schon fast sieben Minuten miteinander.
Sie klinkt sich kurz aus, fragt irgendwo anders nach und erfährt, dass es kein IV.Korps mehr gibt. Okay, Punkt für sie. Oder so ähnlich.
„Und nun?“, frage ich. Sie will mich in irgendein Geschäftszimmer durchstellen. Danke, auf Wiederhören.
Leider meldet sich im Geschäftszimmer niemand. Ich lege auf.

Kapitel 2. Die Bundeswehr in Potsdam.
Auch in Potsdam gibt es eine Bundeswehrkaserne. Ich suche mir die entsprechende Nummer raus und wähle sie.
Überraschung! Ich lande wieder bei der freundlichen, aber nicht sehr wissenden Dame in Hamburg. Meine Freude hält sich in engen Grenzen.
Ich frage nach der Pressestelle. Sie fragt: Die in Potsdam? Ich sage: Ja, ich habe ja auch die Potsdamer Nummer gewählt. Sie sagt: Sie findet keine Pressestelle in ihrem Verzeichnis. Ich sage: Gibt es denn irgendjemanden, der mir irgendeine Auskunft geben kann?
Die Frau fragt nach. Und will mich dann zu einer anderen Potsdamer Dienststelle durchstellen.
Und tatsächlich meldet sich dort jemand. Ich teile dem Mann in der Geschäftsstelle mit, dass ich mit der Hamburger Telefonzentrale nicht so wirklich zufrieden bin. Der Mann lacht, das Problem scheint bekannt zu sein.
Zum Winterklamottenthema kann er allerdings nichts sagen, er stellt mich zu einem höheren Dienstgrad durch.
Und dann, oh Wunder! Ich habe jemanden in der Leitung, der mir etwas zu meinem Thema sagen kann. Nach 30 Minuten!
Dann aber, nachdem er mir alles erzählt hat, fragt er: Wollen Sie das als O-Ton verwenden? Ich sage: zumindest Teile davon. Er sagt: Sie dürfen mich nicht zitieren, da müssen Sie erst da und da anrufen und nachfragen.
Dolle Sache, der Bund. Wo doch Klamotten so ein großes Geheimnis sind. Ein Staatsgeheimnis.

Kapitel 3. Die Polizei.
Ich rufe den Pressesprecher in Potsdam an. Und es scheint simpel zu sein. Der Herr erzählt mir, was ich wissen will. Dann sagt er aber, dass ich mich an einen Herren in Wünsdorf wenden soll. Der arbeite im Zentraldienst und könne mir das sehr viel genauer erzählen.
Also wähle ich die Wünsdorfer Nummer. Tatsächlich habe ich den Mann am Rohr, den mir der Pressesprecher empfohlen hat. Blöd nur: Er darf mir nichts sagen, sagt er. Ich müsse das Innenministerium in Potsdam anrufen. Er ist dazu nicht befugt.
Ich klingele also in Potsdam an. Zwei Gespräche verlaufen im Sande, ich habe immer Leute dran, die nichts zu meinem heißen Klamottenthema sagen können. Ich solle mich per Mail ans Ministerium wenden.
Ich schreibe also die Mail.
Eine gute halbe Stunde später: Der Wissende vom Innenministerium ruft an. Meine Mail hat er noch nicht gelesen, ich schildere ihm also noch mal, was ich wissen möchte. Er wolle sich drum kümmern.
Eine weitere gute Stunde später. Der Wissende schickt mir tatsächlich eine Antwortmail mit meinen Fakten. Dann ruft er mich an.
Er hoffe, dass ich jetzt alles hätte, was ich wissen möchte. Und er meint, dass das Innenministerium solche Auskünfte eigentlich nicht gebe. Es gebe einen Mann in Wünsdorf, der mir alles erzählen könnte. Ich sage: Ich habe mit dem Mann gesprochen, er darf nichts sagen. Der Ministeriumsmann sagt: Klar darf er. Mit solchen Kleinigkeiten gebe sich sein Amt nicht ab. Ich solle doch bitte noch mal in Wünsdorf anrufen, er habe mich bereits dort angekündigt. Er gibt mir noch mal die Telefonnummer.
Es ist leider die Falsche. Die Frau, die ich nun am Apparat habe, kennt den Mann nicht, mit dem ich vorher gesprochen hatte. Sie muss in irgendeiner Liste nachschauen, wo sie ihn überraschenderweise sogar findet. Sie sagt mir seine Nummer.
Ich wähle besagte Nummer. Aber der Mann ist nicht mehr da.
Ich gebe auf. Und ich habe ja sowieso, was ich wissen will.

Alles andere funktioniert verhältnismäßig reibungslos. Aber die Bundeswehr und die Polizei haben mich sehr viele Nerven gekostet. Die Sache mit den Kompetenzen sollte vielleicht mal geklärt werden. Und die Bundeswehr sollte ihre seltsame Telefonzentrale am besten gleich mal wieder abschaffen. Rührt euch, weggetreten.


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Kommentare

8 Antworten zu „Volojahre (42): Zentrales Kompetenzgerangel“

  1. LukasO

    Klasse, ich habe Tränen gelacht, auch wenn es für Dich eher unlustig war. Auch dass die Tante beim Bund den Begriff Korps nicht kennt. Das wäre mal ein Artikel, den ich gerne in einer Zeitung lesen würde.

  2. RT

    Mal sehen, vielleicht ergibt es sich ja mal. 🙂

  3. Herrlich:D

  4. tomtesk

    Das Kompetenzgerangel ist symptomatisch für alle, auch nicht vom Staat getragenen Einrichtungen. Stichwort „QM“.

  5. tomtesk

    Die durch die Benennung als solches erfolgende Verschlechterung eines jeden, logischen, der Verbesserung von Abläufen dienenden Kreislaufs: Qualitätsmanagement.

  6. RT

    Aaaah, verstehe! Ja, da muss wohl nachjustiert werden…

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