ZAPPER VOR ORT: Guido Knopp in Fehrbellin

MI 21.10.2009 | Fehrbellin, Rhinhalle

Es sind für mich heute noch DIE Bilder der Wende 1989: Vor der westdeutschen Botschaft in Prag reißen DDR-Bürger die Straßensperren um. Voller Panik rennen sie los, mit Kind und Kegel zur Botschaft. Sie schreien, sie feuern sich an. Sie wollen nur eines: weg aus der DDR.
Beeindruckende Bilder und Töne. Noch heute, 20 Jahre danach.
Und dann kommt ZDF-Geschichtsguru Guido Knopp und verkitscht die Szene, unterlegt sie mit pathetischer Musik, lässt sie in Schleim versinken.

Gesehen in Fehrbellin. Gudio Knopp kam in die dortige Rhinhalle, um aus seinen Erinnerungen vorzulesen: „Die deutsche Einheit – wie es wirklich war“.
Doch bevor er las, begann seine Multimediashow. Oder sagen wir besser: der Werbeblock. Gezeigt wurden allerlei Ausschnitte bekannter Szenen der deutschen Geschichte. Unterlegt mit pathetischer, tragender Musik. Bald stellte sich heraus, dass es ein Trailer für die neue Knopp-Reihe für die „Sternstunden der Deutschen“ ist, die im November im ZDF startet. Dann sagte eine Stimme: „Begrüüüüßen Sie jeeetzt: Guiiiiido Knopp!!!“
Die Leute applaudierten, aber mir hat es eigentlich schon gereicht.

Ganz klar, Knopps Verdienste sind in Sachen Geschichte im Fernsehen groß. Aber ich kann es langsam nicht mehr sehen: Die Mischungen aus nachgedrehten Szenen und realen Ausschnitten und Fotos, unterlegt mit schleimiger, nicht enden wollender Soundtrackmusik, nervt mich unglaublich.
Und daraus bestand auch die Knopp-Lesung in Fehrbellin.

Knopp arbeitete im viel zu dunklen Scheinwerferlicht sich durch die Wende. Die fallenden Grenzzäune in Ungarn. Die Fluchtwelle. Die überfüllten Botschaften. Der letzte Republikgeburtstag. Die Pressekonferenz mit Schabowski. Der Mauerfall. Kohls Dresden-Triumph. Der Einheitsvertrag. Der Beitritt der DDR.
Und die These, dass die Tür zur Einheit 1989/90 nicht sehr weit offen stand, und deshalb Deutschland nur die schnelle Einheit durchziehen konnte. Nach dem Gorbatschow-Putsch 1991 wäre die Einheit im Eimer gewesen.
Alles gut und schön und spannend. Aber das kennen wir alles, zumindest kann man das alles nachlesen, wenn man will. Knopp hat uns nichts Neues erzählt. Und schon gar nichts nach dem Motto: „Wie es wirklich war“. In der Hinsicht fehlten echte Neuigkeiten oder wenigstens kleine Aha-Effekte.

Und warum Knopp nicht auf die Macht der Bilder und Originaltöne vertraut, weiß auch nur er. Er will wahrscheinlich die puren Emotionen noch emotionaler haben. Die Ungarn-Bilder. Die Botschaften. Der Mauerfall. Immer mit – wahlweise – dramatischer, rührender, lauter und leiser Musik. Aber immer voll pathetisch.
Aus irgendeinem Grund mag es Knopp, seine Lesungen dermaßen künstlich und überflüssig aufzumotzen. Ich mag es nicht. Und ich mag es auch nicht, wenn irgendein Geschichtsmensch daher kommt und erzählen will, wie es wirklich war. Um dann nichts zu erzählen, was nicht schon bekannt war.
Guido Knopp ist eben auch nur ein Blender.


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Kommentare

5 Antworten zu „ZAPPER VOR ORT: Guido Knopp in Fehrbellin“

  1. „Wie es wirklich war“, ist eine Phrase, welche Historiker nicht nutzen. Was aber nicht heißt, dass sie der Wahrheit auf den Grund gehen. Bspw. ob Hannibal tatsächlich mit Elefanten die Alpen überquert hat: http://www.arte.tv/de/Hannibals-Elefanten-/1561016,CmC=1561018.html – Eine gute Doku braucht keinen Guido.

  2. RT

    Also würdest du sagen: Guido K. ist kein Historiker?

  3. Naja, er hat die Doktorwürde. Egal was ich sagte, es zählte nicht. Ich kann nur berichten, dass Knopp unter angehenden Historikern immer gut für Witze ist. Aber angehende Historiker machen sich auch rücksichtslos über alles lustig 😛

  4. RT

    Tja, das ist nicht nur bei angehenden Historikern so.

  5. LukasO

    Ach der Guido. Der hat ein nur Konzept, das er über alle Themen stülpt, die ihm so unterkommen. Die nachgedrehten Szenen dürfen auch gerne vor Emotionen strotzen. Die anderen Bilder kennt man meist schon von vielen anderen Gelegenheiten. Ein Blender halt

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