Der Baader Meinhof Komplex

2. Juni 1967. Der persische Schah kommt mit seiner Frau nach Berlin. Auf dem Kaiserdamm warten bereits viele Schaulustige darauf, dass der hohe Besuch eintrifft. Unter ihnen viele junge Leute, Studenten. Plötzlich tauchen schwarz gekleidete persische Demontranten auf, die Pro-Schah-Plakate hochhalten. Als er dann endlich ankommt, kippt die Situation: Die Schaulustigen buhen, holen Protest-Plakate heraus. Mehlbeutel fliegen auf die Straße. Als daraufhin plötzlich die persischen Begleiter auf die Deutschen am Straßenrand losgehen, bleibt die Polizei regungslos. Als sie sich doch regt, prügeln sie brutal auf die Studenten ein. Ohne Gnade. Mit voller Wucht. Der Student Benno Ohnesorg stirbt. Erschossen von einem Polizisten.
Eine Szene, die schockiert, die einen fassungslos im Kinosessel erstarren lässt.
Das ist „Der Baader Meinhof Komplex“.
150 Minuten lang erzählt Regisseur Uli Edel die Geschichte der Roten Armeefraktion (RAF).
Ende der 60er-Jahre herrschte Aufruhr in Deutschland. Die Studenten revoltierten, stellten sich gegen die BRD, die unter der Kontrolle der Aliierten stand. Kämpften gegen den Krieg in Vietnam. Gegen den Kapitalismus. „Ho-Ho-HoTschi-Minh“ rufen die Studenten der FU, als Rudi Dutschke (Sebastian Blomberg) zu ihnen spricht. Als wenig später ein Mordanschlag auf ihn verübt wird, beginnt die Lage zu eskalieren. Gewalttätige Proteste richten sich insbesondere auf den Axel-Springer-Verlag und die „Bild“, die voller Hetze über die Studentenproteste berichtet.
Journalistin Ulrike Meinhof (Martina Gedeck) trifft auf Gudrun Ensslin (Johanna Wokalek), die gemeinsam mit ihrem Freund Andreas Baader (Moritz Bleibtreu) aus Protest gegen den Vietnamkrieg ein Kaufhaus in Brand steckte – und die weitere Aktionen vor haben.
Es gibt viel zu erzählen über den „Baader Meinhof Komplex“. Der Film zeigt die Geschichte von 1967 bis 1977: vom Schah-Besuch bis zur Schleier-Entführung. Er stützt sich dabei auf die Recherchen von Stefan Aust in dem Sachbuch, dessen Name auch der Film trägt.
Der Film zeigt die Härte, die Brutalität auf beiden Seiten. Die revoltierenden Studenten und RAF-Anhänger und die Ohnmacht des Staates, der Polizei. Zu sehen ist aber auch, wie sich die Qualität der Anschläge ändert, wie mit mehr und mehr Härte vorgegangen wird, wie viel skrupelloser die nachfolgenden RAF-Generationen wurden. Unfassbar die Kaltschnäuzigkeit, mit der die Begleiter von Hanns-Martin Schleyer abgeknallt werden.
Der Zuschauer bekommt ein wichtiges Stück Zeitgeschichte in ihrer modernsten Filmform präsentiert, und das nahezu ohne Wertung. Die sollte der Zuschauer danach selbst vornehmen können, für die Einordnung, die so mancher Feuilleton-Schreiber vom Film fordert, ist der zuschauer selbst zuständig. Und er sollte dazu auch in der Lage sein.
Obwohl zweieinhalb Stunden lang nie langweilig, immer fesselnd, faszinierend, auch abstoßend. Aber, und das scheint irgendwie bedenklich: Zumindest einige der Thesen von Baader und Meinhof kommen einen auch und gerade heute noch aktuell vor.
Für diesen Film wurden teilweise bis in die Nebenrollen hochkarätige Schauspieler engagiert. Und alle sehen sie ihren „Vorbildern“ teilweise sehr ähnlich: großartig Moritz Bleibtreu als Andreas Baader. Eindringlich: Johanna Wokalek als Gudrun Ensslin. Daneben: Nadja Uhl, Jan Josef Liefers, Stipe Erceg, Alexandra Maria Lara, Hannah Herzsprung, Tom Schilling, Heino Ferch, Bruno Ganz – die Liste ist noch sehr viel länger.
Nur einen Minuspunkt erhält dieser ansonsten großartige Film: Viele Personen tauchen nur kurz auf, ständig wechseln die Akteure. der Einfachheit wegen, hätten hier beim ersten Auftritt vielleicht kurz die Namen eingeblendet werden können.
Dennoch: unbedingt ansehen!

9/10


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Kommentare

12 Antworten zu „Der Baader Meinhof Komplex“

  1. BusterB

    Deine Kritik fand ich super, ich sehe auch die 90 % – es ist ein interessanter Film mit großartiger schauspielerischen Leistung. Was mich an diesem Film stört ist nur die Darstellung von Baader fast schon als eine Art „Rockstar“- dort wurde im Interesse des kommerziellen Erfolgs doch zu sehr Geschichtsfälschung betrieben.. Wie diese Personen wirklich waren kann keiner von uns richtig beurteilen, dazu müsste man mit RAF-Zeitzeugen sprechen. Auch der sonstigen geposteten Kritik „nur aus der Sicht der Täter, nicht aus der Sicht der Opfer“ kann ich auch nicht zustimmen, denn 2,5 Stunden waren schon genug, glorifiziert wurden die Morde im Film dennoch niemals, alle Morde wurden als schmutzig, und die Propaganda der RAF wurde vor allem im letzten Drittel des Films als demagogisch und falsch entlarvt. Ich denke damit wurde kein „pro-RAF“-Film gezeigt, es bleibt ein Novum der Filmmacher Protagonisten auszuwählen, das waren hier die 1. und 2. Generation der RAF. Ich ziehe gerne Vergleiche zum Film „Monster“ – auch hier wurde nur aus einer Sicht gezeigt, aber auch hier wird der Zuschauer ebenso über die nachvollziehbare Entwicklung der Charaktäre bis zur Sypmpathie-Findung mit den Protagonisten an die Hand genommen welche der geneigte Zuschauer im Laufe der Entwicklung zum brutalen Mörder entsetzt zurückzieht. Fazit: es bleibt ein guter Film über eine nicht im Geschichtsunterricht gezeigte aber wichtige Ära in der Entwicklung der BRD, ich war zur Prime-Time im Kino und war sehr possitiv überrascht wieviele Junge Leute diesen Film sahen und beim Hinausgehen intensiv über diese Zeit engagiert diskutierten – die erarbeiten sich Infos über diese Zeit und dieses Genre… damit hat mich die „Gülcan, Dschungel-Camp, Handy-Features, Senna und Hilton-Generation doch eines besseren belehrt.. Danke diesem Film.

  2. RT

    Nein, der Film ist wahrlich kein Pro-RAF-Film.
    Baader mag nicht ganz so gewesen sein, wie Bleibtreu ihn spielt, aber das trifft sicherlich auch auf die anderen zu. Über Gudrun Esslin hat es wohl kaum Tonmaterial gegeben, das einen Aufschluss zuließ, wie sie wirklich war – so jedenfalls Johanna Wokalek im „stern“.
    Aber ich denke, die Eigeninterpretation ist noch im Rahmen, da gibt es ja ganz andere Filme „nach wahren Geschehnissen“, die mal ganz fix von der eigentlichen Geschichte abgleiten…

  3. MichaelP

    Heute geht in den Film. Bin mal gespannt, wie der mir so gefällt.

  4. MichaelP

    So bin gerade aus dem Kino zurück.

    Also mir hat der Film so durchwachsen gefallen. Er ist in jedem Fall realistisch und gibt wahrscheinlich genau das wieder, was damals so alles passiert ist. Aber auch mir war er etwas zu schnell geschnitten und so werde ich dann wohl 2009 noch einmal die längere TV-Fassung in zwei Teilen schauen.

    Wahrscheinlich ist das bei dem Film so gewollt, aber ich kann die Vorwürfe einiger Kritiker verstehen, die sagen, dass es sich bei diesem Film um einen „Täter-Film“ handelt. Dies kann ich definitiv bestätigen. Das schlimme daran ist, dass man manchmal sogar nachvollziehen kann, nach welchen Motiven die RAF gehandelt hat. Dennoch muss man sagen, dass Terrorismus und Gewalt keine Lösung für politische Probleme sein kann.

    Andreas Baader war mir etwas zu cool dargestellt. Ich muss zugeben, dass ich bei manchem seiner Sprüche im Kino schon ein wenig gelacht habe. Wenn Moritz Bleibtreu ihn so dargestellt hat, wie er früher war, dann war es eine Person, die andere wohl leicht von bestimmten Dingen überzeugen konnte.

    Als Fazit bleibt zu sagen, dass sich ein Gang in den Film in jedem Fall lohnt, wenn man an dem Geschichtlichen Hintergrund interessiert ist. Spannung baut sich nicht so richtig auf, aber das soll es wohl auch nicht. Außerdem ist der Film nichts für zartbeseitete, denn die Tötungen werden oftmals ganz genau gezeigt.

  5. RT

    Ja, der Film ist aus Sicht der Täter. Aber ich finde, auch die Grausamkeit der Taten, ist es auch ein Opfer-Film. Man hat ja Mitleid mit ihnen, finde es trotzdem schrecklich. Dazu muss man die Leute nicht mal näher kennen.

  6. Vanilli

    Hallo,

    schaut euch das mal an:

    http://de.youtube.com/watch?v=RT7wXG_Ku3k

    Grüße…

  7. Adrian

    Sie denkt wohl „ey, falsche Darstellung! Böse Beleidigung meiner Person in Öffentlichkeit! Nun will ich meine Auszeichnung für dne Dienst an dieser medienwirksam wieder abtreten!“

    Was ich viel unrealistische ram Film fand ist das Attentat auf den lieben Dutschke(? den linken da halt)
    Typ: Sind sie Dutschke?
    Er:Ja!
    Typ: Sch**ß Kommunist!
    *3x Kopfschuß*
    *Dutschke zieht Schuh aus, läuft durch die Gegend, wird im Notwagen abgeholt und stirbt erst dann irgendwann im Krankenhaus*

    äh?!
    Sonst scheint der Film gut, wobei ich natürlich nicht weiß, was innerhalt der RAf so vor sich ging und ob die Anschläge so waren…

  8. RT

    Ich fand die Szene nicht so schlecht. Der Typ wollte halt ganz sicher gehen. Außerdem halte ich es für möglich, dass das Ganzo ablief. Dutschke konnte darüber danach ja noch reden. Er ist nach dieser Szene nicht gestorben, er taucht doch später nochmal auf. Er starb erst Jahre später.

  9. Pi-Ratin

    @BusterB/RT: Ich schliesse mich an. Natürlich kann keiner, der kein Zeitzeuge ist, sagen, so ist es gewesen. Natürlich nicht. Und obwohl ich zwiespältiger Meinung über diesen Film bin, halte ich es doch für richtig, das er gedreht wurde.

  10. […] Der “Baader Meinhof Komplex” ging bei den Oscars 2009 zwar leer aus, aber wenigstens dürfen wir uns über den Preis für den besten Kurzfilm “Spielzeugland” freuen. Es war mal wieder eine lange Nacht. Und wenn zwischen den unzähligen Werbepausen auch mal ein Preis vergeben wurde, war das hier und da auch recht spannend. Aber eigentlich düfen sich die Produzenten der Show nicht wundern, dass die Einschaltquoten zurückgehen: Die Werbeorgie nervt. Mitunter lag eine Oscarvergabe zwischen zwei Werbepausen. Der Gipfel war eine etwa einminütige Moderation, die von Werbung geflankt wurde. Kein Wunder, dass die Leute entnervt wegschalten, wenn der Eindruck da ist, dass wir eine Werbeshow mit Oscarunterbrechungen sehen. In Deutschland läuft die Show in der tiefsten Nacht. Dennoch müssen ja die Pausen irgendwie gefüllt werden. Und da zeigte sich ProSieben mal wieder völlig einfalls- und lieblos. Immer wieder die gleichen ätzenden “The Next Uri Geller”-Trailer. Immer wieder die gleichen Eigenwerbespots mit den Oscarfilm-DVDs – gern auch zweimal in einem Werbeblock. Und dazu noch Filmtrailer zu den nominierten Streifen. Nur leider selten passend zum folgenden Programmpunkt. So liefen die “Baader Meinhof”-Ausschnitte nachdem schon klar war, dass der Preis an Deutschland vorbei ging. ProSieben überträgt seit Jahren die Oscar-Nacht: Warum bekommen die das nicht hin? Es ist ein Trauerspiel. […]

  11. […] “Der Baader Meinhof Komplex” die Mitglieder der RAF und ihre Taten veranschaulicht, zeigt die Doku über “Die […]

  12. […] im Jahr 2008 Der Baader Meinhof Komplex” ins Kino kam, war die RAF schon einmal ein großes Thema. Die Schauspielerin Johanna Wokalek […]

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