Johannes B. Kerner: Amoklauf in Erfurt

FR 26.04.2002, ZDF

Am Tag des Amoklaufes in Erfurt reiste Johannes B. Kerner sofort an den Ort des Geschehens, um von dort aus eine Live-Sondersendung zu bringen. Es war schon ein wenig grotesk: Mitten in der Dunkelheit stand ein Pavillon. Darunter standen gut 45 Minuten lang diverse Leute und ließen sich von „JBK“ befragen. Darunter war auch ein 11-jähriger Junge, der auf das Gutenberg-Gymnasium geht. Nachdem schon etliche Journalisten ihre Kameras auf die schockierten Erfuter Schüler richteten, tat dies nun auch Boulevard-Talker Kerner. Um Fragen zu stellen wie „Wie fühlst du dich?“ oder „Wie war das denn?“ Die Mutter des Jungen hatte das Interview erlaubt (es gab ja bestimmt auch ein bisschen Kohle). Trotzdem gehörte dieses Interview zu den Tiefpunkten dieses sowieso schon schwarzen Tages. Peinliche , schlimme Fragen an einen kleinen Jungen. Das ist die unterste Schublade des Boulevard-Journalismus.
Das sieht Harald Schmidt offenbar genauso. Der sagte jetzt eine Preisverleihung ab, die Kerner moderiert. Mit der oben beschrieben Sendung als Begründung. Schmidt hat damit zwar Recht, aber er sollte sich noch einmal ausführlicher dazu äußern. Johannes B. Kerner, der sonst locker, flockig und informationsfrei irgendwelche Promis interviewt, hat in Erfurt versagt. Klar, das ZDF, sein Haussender, steht hinter ihm. Aber verwunderlich ist es schon, dass so etwas möglich war. Sie begaben sich damit unweigerlich auf ein Niveau, dass man vom ZDF eigentlich nicht erwartet hätte.


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Kommentare

3 Antworten zu „Johannes B. Kerner: Amoklauf in Erfurt“

  1. […] Seit Tagen verwöhnt uns das Fernsehen mit Sondersendungen. Hier ein “Brennpunkt”, da eine kleine Diskussionsrunde. Hier der Friedman, da der Yogeshwar. Dort der Zollitsch, dann der Broder. Hui – ganz kurz die Kanzlerin, denn die durfte nicht so richtig. Oh – der Mixa, der sollte besser nicht so richtig dürfen! Schließlich der Liefers (nein, der war bei Plasberg und Plasberg war noch nie aktuell), aber der Kerner, der kommt jeden Tag, der interviewt auch schon mal traumatisierte Schulkinder, die wenige Stunden zuvor einen Amoklauf miterlebt haben. Ja, Kerner ist aktuell, immer mindestens brühwarm wie ein Geflügelwürstchen (keine Werbung). Und die Zeitungen erst! Die wissen morgen schon, was heute schon alle wußten. Super. […]

  2. […] Nach bisherigen Informationen starben bei einem Amoklauf in Baden-Württemberg 15 Menschen, das 16. Opfer ist der Amokläufer selbst. In einer Realschule in Winnenden begann das Blutbad. Die meisten Fernsehsender berichten in epischer Breite davon. Reporter vor Ort beobachten jede Regung rund um das Schulgelände. Experten im Studio nehmen alles haarklein auseinander. Und das ZDF hat nicht dazugelernt. In der “heute”-Sendung werden zitternde Kinder gezeigt, die sich völlig schockiert über die Ereignisse in ihrer Schule äußern. Augenzeugenberichte sind natürlich immer relevant, aber müssen wirklich kleine Kinder vor die Kamera gezerrt werden? Hat jemand die Zustimmung dafür gegeben? Und hat der Sender nicht auch eine Verantwortung? 2002, beim Amoklauf in Erfurt, war Johannes B. Kerner vor Ort. Für seine Interviews mit Kindern wurde er damals sehr hart kritisiert. Die Kollegen von heute” scheinen das vergessen zu haben. […]

  3. […] Leute ins Studio holen und ihnen dann ihr Scheitern zeigen. Kerner müsste sich noch mal seine Erfurt-Sondersendung von 2002 ansehen. Gottschalk die “Wetten, dass…?”-Sendung mit der Buntstiftwette […]

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