Rügen 2022 (5): Binz und der Journalismus-Versuch der Berliner Zeitung

(4) -> 25.8.2022

Ein Artikel der Berliner Zeitung sorgt auf Rügen für ordentlichen Wirbel. Auch ich habe den Artikel von einem Freund zugespielt bekommen.
Titel des Artikels: „Von Arenal bis Binz: Wo wir 2023 auf keinen Fall mehr Urlaub machen wollen“ Darin gehe es um eine No-Go-Liste der Reiseziele.
Und Binz steht auf 1.

Nun saß ich also in Binz und las, wie scheiße Binz sein soll.
Und konnte es nicht glauben, weil über Binz fast nur Stuss verbreitet worden ist.
Der Autor Marcus Weingärtner seufzt zuvor wohlig, dass ja Sellin, Putbus und sogar Bergen ganz schön seien. Letzteres ist eine eher erstaunliche Feststellung.

„Unbedingt meiden aber sollte man den Ort Binz: eine überteuerte Rentner-Bubble ohne Charme.“ Ferienwohnungen seien so teuer wie in europäischen Metropolen, aber in Binz werde nach 20 Uhr der Bürgersteig hochgeklappt.
Rentner-Bubble? Nein. Wirklich nicht. Vielleicht ist der Autor ja zufällig in einem Hotel abgestiegen, wo sich gerade viele Rentner aufhalten. Aber Binz ist alles andere als eine Rentner-Bubble. Und dass nach 20 Uhr die Bürgersteige hochgeklappt werden, ist ganz schlicht gelogen. Ich kenne keinen Ort, wo man nach Mitternacht beim Italiener noch Pizza bestellen kann. Wenn man die dann auch nicht draußen essen kann, sondern ins Restaurant muss. In der Hauptstraße sind da auch immer noch Leute unterwegs. Am Strand hat die Bar bi nach 22 Uhr geöffnet, eine weitere noch länger.

Der Ort sei langweilig und überteuert und wenn es regne, könne man nur einer Beschäftigung folgen: Die Strandpromenade rauf und runterspazieren, „gemeinsam mit den anderen Seniorinnen und Senioren in den immergleichen Klamotten: Camp-David-Shirts, Tom-Tailor-Hosen und Tommy-Hilfiger-Jacken so weit das Auge reicht.“
Nun ja, wenn es im Urlaub regnet, ist es immer blöd. Aber Binz und Rügen hat nun wirklich genug zu bieten, was man auch bei Regen machen könnte. Und dass Marcus Weingärtner nicht in der Lage ist, zu recherchieren, wie man die Freizeit verbringen könnte, spricht das gegen ihn.

Weiter schreibt der Autor der ehemals angesehenen Berliner Zeitung: „Regnet es nicht, kann man wenigstens ins Wasser gehen oder eine Radtour machen. Vielleicht hat man ja Glück und verfährt sich so, dass man nicht zurückfindet.“
Das ist dann nur noch billige Polemik, die Marcus Weingärtner offenbar irgendwie lustig findet.

Nun kann das natürlich seine Meinung sein. Aber wenn man sagt, dass man Binz doch bitte meiden solle, dann wäre es doch zumindest angebracht, mit Fakten um die Ecke zu kommen. Fakt ist, dass nach Binz extrem viele Familien kommen, sogar junge Leute. Wer durch Binz läuft, hat nicht den Eindruck einer Rentner-Bubble. Die ache mit den hochgeklappten Bürgersteigen ist schlicht Schwachsinn.

Am Freitag berichtete dann ist Ostsee-Zeitung über die Kolumne des Kollegen aus Berlin. Was u.a. dabei herauskam: Marcus Weingärtner war angeblich vor zwei Jahren im Frühjahr in Binz (war da nicht der erste Pandemie-Höhepunkt?).
Der Autor hat also etwa niedergeschrieben, das er vor Jahren während der Nebensaison erlebt hat. So was nennt man bei der Berliner Zeitung offenbar guten Journalismus und irrt damit gewaltig. Auch wenn es sich um einen Meinungsbeitrag handelt – auch Meinungen müssen wahrhaftig untermauert sein.
Ich werde jedenfalls wieder nach Binz zurückkehren – da kann mir die Berliner Zeitung echt gestohlen bleiben.


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