ZAPPER VOR ORT: Anohni in Berlin

DI 28.06.2016 | Berlin, Tempodrom

Eines kann ich mit Bestimmtheit sagen: Das war das denkwürdigste, aber auch das irritierendste Konzert, das ich je erlebt habe: Anohni im Berliner Tempodrom.
Es ist die erste Solotour von Anohni nach dem Ausstieg bei „Antony and the Johnsons“. Das Album „Hopelessness“ ist mitunter großartig. Die Elektrosounds mit dem eindringlichen Gesang sorgen für Gänsehaut. Und politisch geht es zu: Überwachung, Drohnen-Kriege und Umweltzerstörung – darum geht es.

Das Konzert begann mit… Ja, womit eigentlich. Mit einem Video von Naomi Campbell, die zu irgendwas hin- und herwackelt. Rangezoomt. Weggezoomt. Rangegangen. Weggegangen. Dazu ein Wummern und Dröhnen aus den Lautsprechern. 15 Minuten lang starrten die Leute nach vorn, und am Anfang waren sie still, aber irgendwann wurde es dann doch irgendwie, nun ja, etwas langweilig.
Dann aber ging es doch los. Auf der Leinwand waren permanent Frauen zu sehen, die die Texte der Anohni-Songs mitsangen. Durchaus interessant.
Beim zweiten Song kam Anohni dann selbst auf die Bühne. In einem hellen Gewand, Kapuze und einem schwarzen Schleier vor dem Gesicht. Mehr bekam das Publikum den ganzen Abend nicht zu sehen. Entweder stand sie im Schatten oder eben nicht, aber der Schleier gab eh nichts preis.
Das ist Kunst. Vermutlich.

Damit das klar ist: Die Musik ist immer noch großartig, sie ist es auch an diesem Dienstagabend im Berliner Tempodrom.
Aber das Konzert strotzt nur so von Ignoranz. Anohni geht null auf das Publikum ein, sie sagt gar nichts zwischendurch. Das hätte wohl die Performance gestört. Vorn stehen zwei Männer an PCs, ob sie wirklich live die Musik mischen, bleibt unklar. Die Musik klingt perfekt, wie von der CD. Auch der Gesang.
Man kann als Zuschauer weder sicher sein, ob Anohni live singt (man sieht ja nichts) oder – wenn man ganz gehässig sein will – ob Anohni überhaupt da war. Es ist einfach eine dunkle Figur, die seltsame Bewegungen macht. Fast wartet man auf Guido Cantz, der fragt: „Verstehen Sie Spaß?“.
So zieht sich das 65 Minuten lang. Dann ist Schluss. Die Musik ist aus, das Licht geht an, Anohni hat Feierabend. Gute Nacht. und lässt ihr Publikum mitunter verstört zurück.
Das soll es jetzt gewesen sein?

Ich habe an diesem Abend nicht applaudiert. Denn ich habe mich völlig ignoriert gefühlt. Ob nun Publikum da war oder nicht – im Grunde war es wurscht. So fiel der Applaus zwar relativ herzlich aus – mehr aber auch nicht.
Selten – nein, nie! – hat mich ein Konzert so ratlos gemacht. Eine Künstlerin, die sich nicht zeigt, Musik, die aus dem PC kommt – da hätten wir uns auch zu Hause die CD einlegen können.
Und dafür 61 Euro. Da ist man an einem Punkt, wo man als Zuschauer, als zahlender Gast, einfach nur noch wütend ist.


Beitrag veröffentlicht

in

von

Schlagwörter:

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert