Volojahre (12): Bombensafari in der Döberitzer Heide

(11) -> 24.2.2009

Als Oranienburger hat man nicht mehr als ein müdes Lächeln übrig, wenn man hört, dass eine 70-Kilo-Bombe gesprengt werden soll. Wir sind hier ganz andere Sachen gewöhnt.
Doch in der Döberitzer Heide ging gestern Mittag noch sehr viel mehr Munition in die Luft: sage und schreibe 910 Panzergranaten zum Beispiel und eine 70-Kilo-Nebelbombe.
Die Heinz-Sielmann-Stiftung kaufte 2004 den ehemaligen Truppenübrungsplatz in der Döberitzer Heide im Havelland am westlichen Stadtrand von Berlin. Fast 100 Jahre ging es auf dem Gelände hoch her. Wilhelm II. ließ hier kämpfen, unter Hitler war dort die Luftwaffe stationiert, später dann im Krieg warfen die Flieger dort ihre über Berlin nicht ausgeklinkte Bomben ab.
Das Gebiet ist also noch immer belastet. Und da die Stiftung in der Heide ein Wildtierreservat einrichten will, wäre es natürlich ungünstig, wenn dort Menschen gefährdet werden.
Nun sollte das Zeug gesprengt werden, was in den vergangenen Wochen gefunden wurde.

Auf zur Bombensafari! Zwei Nachrichtenagenturen waren vertreten und eben wir von der Lokalpresse. Über einen holprigen und schlammigen Waldweg ging es zur der Stelle, wo die Munition hoch gehen sollte.
Imposant: Mehrere hunterte Meter lange Gräben wurden ausgeschüttet. Darin lagen die Granaten in einem Abstand von 60 Zentimetern, die mittels eines Zünders mehr oder weniger gleichzeitig explodieren sollten.
Einige solcher Geschosse konnten wir uns ansehen und in die Hand nehmen – natürlich schon Entschärfte. Überraschend, wie schwer die Dinger sind.
Die große Frage aber war: Wir werden die Explosionen hören – aber werden wir sie auch sehen? 800 Meter rund um die Fundstellen befand sich der Sperrkreis, den wir verlasen mussten. Tapfer liefen wir los, um zum nächsten Posten zu gelangen.
Nun ja, nach wenigen Metern holte uns ein Kleinbus ein, den wir sogleich bestiegen. So zuckelten wir zurück zum Ausgangspunkt unserer Safari. Und der Fahrer hatte eine Idee: Es gibt in dem Gebiet ein Denkmal, einen Obelisken, der erhöht über dem Gebiet steht, da könne man sich das alles vielleicht ansehen.
Gesagt, getan: Durch Dallgow-Döberitz hindurch fuhren wir also ans andere Ende des Gebietes. Dort angekommen stiefelten wir zum Obelisken, den vor rund 100 Jahren Wilhelm II. dort aufstellen ließ. Wir hatten echt Angst, dass das Ding bei der Detonation gleich mit zusammenfällt, so ramponiert sieht der Sockel des Denkmals aus.
Ratlos standen wir da und starrten ins endlose Nichts. Heide pur. Nur die Kraniche schrien in der Ferne über uns.
Noch 15 Minuten. Die beiden Fotografen probierten, sahen, probierten wieder. Da fiel unser Blick auf ein kleines Aussichtstürmchen. Wir vermuteten, dass wir da noch besser die Explosion sehen könnten.
So liefen wir los, kletterten hoch, sahen uns um und – eine Sirene ertönte. Kurz darauf wummerte es, eine Sandfontäne schoss in die Luft. Und noch einmal. Insgesamt viermal.
Gerade noch rechtzeitig knipsten die beiden Fotografen das kurzlebige Motiv. Zu sehen heute in einigen Zeitungen. Fast wäre das in die Hose gegangen, denn die Geschosse gingen 8 Minuten früher hoch, als es uns gesagt wurde.
Als wir wieder in unseren kleinen Bus stiegen, stand plötzlich ein älterer Herr neben uns. Er erzählte uns, dass ihn das heute an den Einmarsch der Russen vor 60 Jahren erinnern würde. Worauf wir meinten, dass damit heute ja zum Glück nicht mehr zu rechnen sei. „Schön wär’s aber“, antwortete er. Lieber nicht, meine ich.


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Eine Antwort zu „Volojahre (12): Bombensafari in der Döberitzer Heide“

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