DO 12.04.2018 | 20.15 Uhr | VOX
Ist ja nur Rap. Da weiß ich gar nicht, warum wir uns da so aufregen. Wenn es da in einem Text sinngemäß heißt, dass sein Körper definierter sei als von Auschwitz-Insassen. Dabei weiß doch jeder, dass man als Rapper alles darf.
Und damit haben Kollegah und Farid Bang total viel Erfolg – und einen Echo, Deutschlands wichtigsten Musikpreis, durften sie am Donnerstagabend dafür auch noch in Empfang nehmen.
Alles nicht so schlimm? Alles übertrieben?
Wenn Kinder und Jugendliche auf dem Schulhof als Juden beschimpft werden, wenn Jugendliche immer noch als Schwuchtel und schwule Sau betitelt werden, dann hat das auch mit den widerlich-prolligen Texten von Kollegah und Farid Bang zu tun.
Das ist vielleicht Kunst, und vielleicht ist das von einer gewissen künstlerischen Freiheit gedeckt. Aber ist es auch was, dem man Preise hinterherschmeißen muss? Muss man antisimetische Texte und Hassreden auch noch mit Lob belohnen?
Campino von den Toten Hosen war am Donnerstag, der während der Live-Übertragung der Echo-Verleihung bei VOX den Arsch in der Hose hatte, etwas dazu zu sagen. Mit zittrigen Händen las er einen Brief vor, in dem er sich von solchen Texten und Interpreten distanzierte.
Später erhielten Kollegah und Farid Bang dann tatsächlich einen Echo (der eben nicht nur nach reinen Verkaufszahl-Aspekten vergeben wird, sondern eine Jury entscheidet mit) und verhöhnten Campino. Die Echo-Macher ließen es dann sogar zu, später die beiden Rapper extra noch mal auftreten zu lassen.
Und was machten die anderen Künstler? Saßen rum und taten nichts. Campino nahm seinen Preis trotzdem an. Mark Forster trat danach auf, als sei nichts gewesen. Bloß nichts Politisches sagen – bloß nicht anecken. Die Branche hat kollektiv versagt und auf die Menschenwürde gepfiffen.
Jaha, sagen da jetzt die Fans, aber Kollegah und Farid Bang haben sich doch bei einer Holocaust-Überlebenden entschuldigt. Was aber natürlich sinnfrei ist, wenn man den Song dann locker-flockig weiterträllert. Da ist so eine Entschuldigung nur für den Arsch. Noch haarsträubender wird es, wenn es heißt, zur Entschädigung können Juden kostenlos zu den Konzerten, wenn sie am Einlass Bescheid sagen. Ja, natürlich, sollen die Juden doch mal bitte ihren Judenstern an der Kasse zeigen. Dann werde man sie kurz in den Arm nehmen und ins Konzert lassen. Da bekommt man echten Brechdurchfall.
So wird nach und nach der Raum frei gemacht für Gedankengut des Nationalsozialismus. Und schon jetzt gibt es viel zu viele Leute, die da nichts mehr gegen haben und stattdessen von Meinungsfreiheit und Stasimethoden faseln.
Aber die Veranstalter des „Echo 2018“ haben so oder so das Gespür dafür verloren, wie man gutes Entertainment macht. Völlig lahm und ohne komplett ideenfrei schleppte sich die dreistündige Show dahin. Kein Intro (also wirklich gar keins), kaum Humor, einfach gar nichts.
Am schlimmsten war aber die Idee, die diesjährige Totenehrung durch Poetry-Slamerin Julia Engelmann begleiten zu lassen. Nicht nur, dass sie über einen gewissen Chester Benningfield redete, der in Wirklichkeit Bennington heißt. Sie leierte einen wirren Text zu den Fotos der verstorbenen Künstler derart gelangweilt runter, dass es einen schüttelte. Ja, sie tat es im Poetry-Slam-Style. Der passte dort aber ganz und gar nicht hin, wirkte schrecklich deplatziert.
Wann kommen endlich die Kreativen, die es doch in Deutschland ganz sicher gibt, und möbeln die langweiligen und einfalls- und lustlosen Preisverleihungen mal auf? Und dann holt auch wieder „normales“ Publikum in den Saal – und nicht die Branchenheinis, die sich bei solchen Events eh nur langweilen.
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