Bei der Bahnbrücke in Hohen Neuendorf wird noch bis Ende 2025 gebaut – Stadt prüft Klage wegen der gestiegenen Kosten
MAZ Oberhavel, 15.11.2024
Hohen Neuendorf.
Das sind wohlmeinende Worte seitens der Deutschen Bahn: „Wir arbeiten mit Hochdruck daran, die laufende Erneuerung der Eisenbahnüberführung an der Karl-Marx-Straße in Hohen Neuendorf schnellstmöglich für Sie abzuschließen!“
Was „schnellstmöglich“ bedeutet, das bekommen die Menschen in Hohen Neuendorf zu spüren – und das im wahrsten Sinne des Wortes seit Jahren. Seit Juli 2021 – also seit weit mehr als drei Jahren – ist die Karl-Marx-Straße im Bereich der Bahnbrücke für den motorisierten Verkehr gesperrt.
Die Bahn ließ die Brücke erneuern, außerdem die Gleisanlagen im Bereich des nahegelegenen Bahnhofs Hohen Neuendorf West. Zudem wird der Straßenraum von 9,6 auf zwölf Meter erweitert, damit zwei Fahrspuren mit beidseitigem Geh- und Radweg ermöglicht werden können.
Die Durchfahrtshöhe an der Brücke wird 4,5 Meter betragen. Zudem sind 200 Meter rechts und links des Bahndamms vier Meter hohe Lärmschutzwände erstellt worden. Inzwischen konzentrieren sich die Bauarbeiten auf die Straße selbst, plus die Leitungen im Untergrund.
Eigentlich sollte das Ganze elf Monate dauern – insgesamt. Dann wäre die Karl-Marx-Straße im Juni 2022 wieder befahrbar gewesen. „Ursprünglich war das Bauprojekt stabil vorbereitet, und es war vorgesehen die Arbeiten in einem überschaubaren Rahmen abzuschließen, damit die Einschränkungen minimal bleiben“, heißt es seitens der Bahn.
Bei einer Infoveranstaltung in Hohen Neuendorf ist eine entsprechende Präsentation mit den zum Projekt getätigten Aussagen gezeigt worden.
Was aber ist passiert, dass im November 2024 noch immer gebaut wird? „Beim Baustart wurden bei den Aushubarbeiten Leitungen gefunden, welche nicht in den Plänen verzeichnet waren“, begründet die Deutsche Bahn die Verzögerung. Es habe sich herausgestellt, dass alte Gasleitungen im Baufeld lagen und entsorgt werden mussten.
Wegen der begrenzten Sperrzeiten musste umgeplant werden. Eine Hilfsbrücke sei eingesetzt worden, um den Bahnverkehr aufrechtzuerhalten und die Bauarbeiten fortführen zu können. Im Herbst 2023 konnten die Eisenbahnbrücke und die Schallschutzwände fertiggestellt werden.
In den nächsten Monaten sollen Rammarbeiten für Spundwände stattfinden. Im Januar/Februar 2025 kommen auch Fußgänger und Radfahrer für etwa drei Wochen nicht durch den Baustellenbereich. Es soll ein Shuttle (zum Beispiel für Schulkinder) beziehungsweise ein Ruftaxi bei Bedarf fahren.
Im August 2025 erfolgt der Neubau der Regenwasserleitung, ab September der Straßenbau. Im November 2025 soll die Straße freigegeben werden – nach jetzigem Stand.
Die Skepsis aber ist groß. „Wir gehen jetzt davon aus, dass das erst 2026 fertig wird“, sagt zum Beispiel Dag Tjaden. Er wohnt an der Umleitungsstrecke. „Wir haben am 15. März ein Schreiben bekommen“, erzählte er am Mittwoch. Im Schreiben habe es geheißen, dass der Straßenbau beginne und bis November 2025 dauere.
„Dann ist aber erst mal ein halbes Jahr gar nichts passiert“, so der Anwohner weiter. Erst im Spätsommer hätten die Straßenbauarbeiten begonnen. Und was sei, wenn es einen Wintereinbruch gebe, fragt er.
Das Problem sei nicht zwingend, dass es durch die Sperrung und Umleitung im Wohngebiet viel mehr Verkehr gebe. „Aber es ist auch der ganze Baustellenverkehr, der hier durchgefahren ist.“ Dafür sei die Straße nicht ausgelegt.
Auch gebe es ein Halteverbot, was dazu führe, dass auch die dort Wohnenden, die keine Garage haben, ihr Auto nicht mehr an der Straße parken können. Die Belästigung durch Lärm und Abgase käme noch hinzu. „Ja, das ist bei einer Baustelle so“, sagt der Anwohner. Das wäre auch okay gewesen, wenn es ein Jahr gedauert hätte und nicht viereinhalb Jahre.
Auch der Kulturkreis Hohen Neuendorf ist betroffen, in dem Dag Tjaden Mitglied ist. „Wir sind schlechter erreichbar.“ Die Räume befinden sich abseits des Baustellenbereichs, nahe der Bahngleise. Der Weg dorthin ist gesperrt, die Besucher müssen etwas weiter laufen.
Die sehr lange Bauzeit ist auch für Meire Campos-Ortenburger ein Problem. Sie betreibt an der Karl-Marx-Straße ein Haarentfernungsstudio. „Ich merke, dass weniger Kunden kommen“, sagte sie am Mittwoch. Sie müsse oft erklären, wie die Leute jetzt zu ihr finden. „Ich hoffe, es wird bald fertig.“
Wie die Deutsche Bahn mitteilte, sei im Verlauf des Projektes das Projektteam ausgetauscht worden, da eine vertrauensvolle Zusammenarbeit vor Ort nicht mehr möglich gewesen sei. Durch die anzupassenden Planungen, die damit zusammenhängenden Verlängerungen der Bauzeit und die Marktpreisentwicklungen seien auch die geplanten Kosten für die Stadt gestiegen.
Zahlen werden derzeit nicht genannt. Die Kosten für das Projekt teilen sich die Stadt Hohen Neuendorf und die Bahn auf Basis einer sogenannten Kreuzungsvereinbarung. Allerdings scheint seitens der Stadtverwaltung der Widerstand dagegen zu wachsen. „Die Stadt sieht sich nicht verantwortlich für gesteigerte Baukosten, die durch einen gestörten Bauablauf entstanden sind“, erklärt Daniel Dinse, der Pressesprecher der Stadtverwaltung. Beim Motto „Mitgefangen, mitgehangen“ wolle man nicht mitmachen.
„Aus Sicht der Stadt wäre es ungerecht, dafür auf städtisches Steuergeld zurückzugreifen. Die Stadt lässt sich daher in der Kostenfrage fachanwaltlich beraten“, so der Stadtsprecher weiter.
Auch im Rathaus hofft man, dass der November 2025 nun eingehalten werde. „Die Eisenbahnüberführung ist von großer Bedeutung für die Menschen im Wohngebiet Niederheide, die Umwege in Kauf nehmen müssen, um zur Arbeit, zur Schule oder zum Supermarkt zu kommen“, erklärt Daniel Dinse.
„Durch die Sperrung wird der Verkehr über die Oranienburger Straße (B96) geleitet, die ohnehin eine viel befahrene Straße ist“, so der Sprecher. „Dort kommt es seit der Sperrung vermehrt zu Staus, es sind also noch mehr Menschen von dieser Sperrung betroffen und frustriert.“ Anwohner Dag Tjaden spricht von einer „Bankrotterklärung“. „Am Ende sind es fünf Jahre, um eine einfache Brücke und die Straße darunter zu erneuern. Das ist komplett inakzeptabel.“
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