SO 26.05.2024 | 14.00 Uhr | phoenix
Der Israel-Gaza-Krieg vergiftet auch hierzulande immer mehr die Diskussionskultur. Sie besteht bei diesem Thema oft nur noch daraus, dass sich die Meinungsgruppen entweder gegenseitig anschreien oder die eine Gruppe die andere einfach nur niederbrüllt und auf diese Weise versucht, Veranstaltungen zum Abbruch zu bringen.
Im Rahmen des Festes zu „75 Jahre Grundgesetz“ in Berlin übertrug phoenix am Sonntagnachmittag auch einen Bürgertalk mit Außenministerin Annalena Baerbock aus dem Tipi am Kanzleramt. Um es vorsichtig auszudrücken: Es ging hoch her – und das mal so 1:1 im Fernsehen beobachten zu können, war sehr spannend.
Nachdem Annalena Baerbock nach der Eröffnungsfrage der Moderatorin auf den Ukraine-Krieg eingegangen ist, kam ein Mann mit seiner Frage dran. Er kritisierte, dass Baerbock nicht über den Gaza-Krieg gesprochen habe, lautstark forderte er auch, aussprechen zu können, weil es da schon laut wurde.
Baerbock antwortete, dass sie davon ausgegangen sei, sowieso noch zum Nahost-Konflikt zu sprechen, und sie habe ihre vorherige Antwort nicht so lang fassen wollen. In der Folge war es für sie allerdings schwierig, durchzudringen. Denn beim „Talk im Tipi“ wurde es dann richtig laut. Der Fragesteller brüllte (obwohl er sich ja vorher noch ausbat, aussprechen zu dürfen, was offenbar nur für ihn selbst galt) und mehrere Frauen brüllten auch – um auf die Situation in Gaza „hinzuweisen“.
Man kann ja von Annalena Baerbock halten, was man will, aber in dieser Situation ist sie erstaunlich ruhig geblieben. Sie beschwichtigte auch das Sicherheitspersonal, auch weil sie wusste, dass die Provozierenden ihre Provokation auf jeden Fall filmen und es ins Netz stellen, wenn man sie „abführt“. Baerbock versuchte, zu erklären, ihre Haltung zu Israel und Gaza darzulegen und welche Rolle Deutschland dabei spielt. Weil einige Personen aber weiter dazwischenbrüllten, ging das Sicherheitspersonal dazu über, einige von ihnen doch rauszubringen.
Was hätte für eine andere Möglichkeit bestanden? Die Brüllenden machten ein Gespräch, eine Diskussion nicht möglich, vermutlich wollten sie auch kein Gespräch. Ein Mann aus dem Publikum merkte später an, dass Schreien nichts bringe.
Das wurde kurz vor Schluss dann noch eindrucksvoll bewiesen, denn eine der Frauen, die die ganze Zeit brüllten, kam dann doch noch regulär zu Wort, und sie konnte ihren Standpunkt in ruhigen Worten darlegen – und das zeigte genau das: Schreien brachte nichts, es war kein Beitrag für die Diskussion. Aber als die Frau sagte, worum es ihr genau ging, da drangen ihre Worte durch, und jeder konnte sich Gedanken dazu machen. Dass die Frau Dinge erzählte, die Baerbock zuvor schon durchaus eindringlich darlegte, ist eine andere Sache.
Es war eine durchaus und in vielerlei Hinsicht beeindruckende Stunde, die phoenix da Sonntag übertragen hat.
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