Die „Märkische Heide“ wird 100: Wie die Hymne für Brandenburg entstand

Gustav Büchsenschütz schrieb das Lied in der Nacht zum 10. Mai 1923 in Neu-Vehlefanz – Feier am Gedenkstein

MAZ Oberhavel, 10.5.2023

Neu-Vehlefanz.
„Märkische Heide, märkischer Sand.“ Wer diese Wörter liest, wird in den meisten Fällen sofort auch eine Melodie im Kopf haben – gerade die Menschen in Brandenburg. Denn „Märkische Heide“ ist Brandenburgs inoffizielle Hymne. Geschrieben wurde sie in der Nacht zum 10. Mai 1923 in Neu-Vehlefanz von Gustav Büchsenschütz.
In der Straße Am Krämerwald im Oberkrämer-Ortsteil Neu-Vehlefanz steht seit längerer Zeit ein Gedenkstein, der daran erinnert, dass die „Märkische Heide“ im Dorf entstanden ist, im Haus direkt gegenüber.

Wolfgang Holtz ist ein Kenner des 1996 in Berlin verstorbenen Gustav Büchsenschütz. In den 80ern habe er ihn kennengelernt. Wolfgang Holtz war Leiter des Heimatvereins Berlin-Steglitz, in dem auch Büchsenschütz Mitglied war. „Er war 47 Jahre älter als ich, und wir haben uns öfter besucht“, erzählt der Berliner.
Von Gustav Büchsenschütz selbst ließ er sich auch erzählen, wie es zur „Märkischen Heide“ kam. „Er ist in Berlin-Friedrichshain groß geworden, und er war mit den Eltern oft im Spreewald gewesen“, erzählt Wolfgang Holtz. „Sie waren sehr interessiert an der Mark Brandenburg.“ Wenn die Touristen dann in den Spreewald-Kähnen unterwegs waren, dann seien verschiedenste Lieder gesungen worden: „Oh du schöner Westerwald“ und andere regionale Lieder – aber eben keines aus dem Märkischen. „Das ging ihm nicht aus dem Sinn.“

Es war dann Himmelfahrt 1923. Gustav Büchsenschütz war 21 Jahre jung und ein Anhänger der Wandervogel-Bewegung. „Er wollte über den Feiertag mit Freunden wandern.“ Sie fuhren mit dem Zug bis Velten. „Es waren wohl um die 15 Jungs. Sie liefen von Velten über Marwitz in Richtung Wolfslake.“ Sie hätten gewusst, dass es dort eine Übernachtungsmöglichkeit gebe. Aus heutiger Sicht befindet sich die Herberge, auch wenn immer von Wolfslake die Rede ist, in Neu-Vehlefanz.
„Sie haben dort jedenfalls übernachtet. Gustav war immer sehr musikalisch, er hat auch Klampfe gespielt.“ In der Jugendherberge sei ihm dann die Idee gekommen, ein Lied zu schreiben. Er schrieb den Text mit Bleistift auf ein Butterbrotpapier. „Die Textzeilen sind ihm so in den Kopf gekommen.“ Als die Jungs dann am nächsten Morgen losgewandert seien, haben sie dann im Krämerwald wohl erstmals das Lied von der „Märkischen Heide“ gesungen. Das war am 10. Mai 1923 – vor nun 100 Jahren. Das Butterbrotpapier mit den Originalnotizen gibt es nicht mehr. So habe es Gustav Büchsenschütz damals seinem Freund erzählt. „Er hat das später noch mal neu aufgeschrieben.“ Diese „Kopie“ liege in der Staatsbibliothek zu Berlin.

Die „Märkische Heide“ ist nicht unumstritten. Die Nazis haben es in den 1930er-Jahren für ihre Zwecke missbraucht. Bereits 1930 wurden dem Lied zwei Strophen angefügt. Darin wird dem Hakenkreuz die Treue geschworen und den inneren und äußeren Feinden Vertreibung angedroht. Unbekannt ist, wer diese Strophen geschrieben hat. Laut der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung stellte Büchsenschütz – er war nie NSDAP-Mitglied – 1934 selbst das Lied in den Dienst des Nationalsozialismus. Die SA sang es. Auch beim Reichsparteitag in Nürnberg erklang die „Märkische Heide“. Nach 1945 distanzierte sich Büchsenschütz von der NS-Karriere des Liedes.
„Er wollte es später sogar umdichten“, so Wolfgang Holtz. Im Lied heißt es: „Heil dir, mein Brandenburger Land.“ „Er wollte ’Heil dir’ umändern in ’Grüß dich, mein Brandenburger Land’.“ Davon sei ihm aber abgeraten worden. „Es ist wichtig zu sagen: Es ist kein Nazilied, es ist ja schon 1923 entstanden. Aber es ist der fade Beigeschmack dabei, dass die Nazis das Lied so vereinnahmt haben.“

In der DDR war das Lied verpönt und fast vergessen. „Das Lied wurde von den Zeitgenossen als Rechtsaußen-Lied wahrgenommen“, sagte der Historiker Michael Kohlstruck von der Technischen Universität Berlin in einem Interview 2013. In der DDR war es deshalb verpönt.

Erst 1988 wurde es durch einen Heimatforscher wieder ins Gedächtnis gerufen. Nach der Wende, es gab wieder ein Bundesland Brandenburg, hatte sich dann der erste Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) dafür eingesetzt, die „Märkische Heide“ zur offiziellen Hymne zu erklären. Ein entsprechender SPD-Antrag von 1994 scheiterte. Offiziell ist sie es bis heute nicht.

Das 100. Jubiläum des Liedes wird am Mittwoch, 10. Mai, in Neu-Vehlefanz gefeiert. Zwei Chöre – „Die Bären“ aus Bärenklau und die Vehlefanzer Amseln werden das Lied um 16 Uhr gemeinsam mit Jagdhornbläsern zu Gehör bringen. Genau 100 Jahre später wird das Lied an Ort und Stelle wieder gesungen. „Ich wusste, dass die Bären das Lied im Repertoire haben“, erzählte Kerstin Rosen von der Oberkrämer-Tourismusinformation, am Dienstag. Sie hatte die Idee der Veranstaltung ins Spiel gebracht. „Gerade bei der älteren Generation ist die ’Märkische Heide’ noch im Kopf drin.“
Der Gedenkstein in Neu-Vehlefanz, der an Gustav Büchsenschütz und die „Märkische Heide“ erinnert, wird auch von den Gemeindearbeitern gepflegt, erzählte Ortsvorsteher Peter Gerlach am Dienstag. „Zur Einweihung kam auch Manfred Stolpe“ erinnert er sich. Er freut sich über die Veranstaltung am Gedenkstein: „Das Lied ist ja sehr verbunden mit Neu-Vehlefanz.“


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