Der heiße Sommer 2003, Berlin-Neukölln, Gropiusstadt. Sonne und Beton. Die Hochhäuser, leicht rammschig, ragen hoch in den Himmel. In den Häuserschluchten spielen sich Szenen ab, die teilweise unter die Haut gehen.
Lukas (Levy Rico Arcos), Gino (Rafael Luis Klein-Hessling) und Julius (Vincent Wiemer) leben in der Gropiusstadt, wenn sie in die Schule wollen, müssen sie ihren Ausweise dabei haben, sonst werden sie von der Security nicht reingelassen. Der Anteil der Migranten an der Schule ist extrem hoch, der Unterricht ist chaotisch.
Die Jungs halten sich mit Diebstählen über Wasser, denn ihre Familien haben kaum Geld. Ab und zu kaufen sie Gras. Aber im Park geraten sie bei den Dealern zwischen die Fronten. Lukas wird verprügelt, der Dealer will ein Schutzgeld. Aber wo soll er 500 Euro herbekommen?
Mit seinem neuen Klassenkameraden Sanchez (Aaron Maldonado-Morales), er kam aus Marzahn nach Neukölln, überlegt er sich, die gerade erst gelieferten, neuen Schulcomputer zu klauen. Aber der Plan erweist sich als nicht ganz so gut wie gedacht.
„Sonne und Beton“ beruht auf dem gleichnamigen Roman von Felix Lobrecht. Es erzählt dort in Form dieses Romans auch von seiner Jugend in der Gropiusstadt.
Für die Zuschauer ist dieser Film ein wahrer Trip. Denn er zeigt ein Berlin, wie es im Kino vermutlich so noch nicht zu sehen war. Es ist nicht das Glitter-Berlin im schönen Grunewald oder in Charlottenburg, die hippe Hauptstadt im Friedrichshain, im schönen Loft. Es ist das dreckige Berlin, das rotzige, das gewalttätige. Wir sehen den gesellschaftlichen Rand. Jugendliche, die aufeinander losgehen. Türken, die auf andere Jugendliche einprügeln und zu Hause kleinlaut sind. Wir sehen frustrierte Jugendliche, die wissen, dass sie abgeschrieben sind, die Angst vor der nächsten Prügelei, vor dem nächsten Raub haben.
Es ist ein Berliner Mikrokosmos, der genauso faszinierend wie angsteinflößend ist. Fast möchte man kaum glauben, dass auch das Berlin ist. Insbesondere in Hinblick auf die Neujahrsausschreitungen bietet „Sonne und Beton“ spannende Einblicke in die Neuköllner Welt. Der Film bietet ehrlich gesagt aber keine Antworten oder Erklärungen. Er zeigt aber, wie verroht die jungen Leute dort – schon vor 20 Jahren waren – wie ruhelos, wie wütend, wie frustriert. Aber es gibt immer wieder diese Momente, die zeigen: Es liegt nicht zwingend an den Eltern – bei denen sind die Jugendlichen zwar auch frustriert, am Ende aber lammfromm und einsichtig. Der Frust kommt von den Umständen, von der absoluten Hoffnungslosigkeit. Das zeigt „Sonne und Beton“ auf schonungslose Weise.
Das macht der Film auch besser als das Buch selbst, wo man als „Ungeübter“ durchaus Probleme hat, die Slang-Dialoge zu lesen hat.
Die jungen Darsteller – Mädchen kommen nur am Rande vor – sind bislang weitgehend unbekannt. Am bekanntesten ist vermutlich Jörg Hartmann als Lukas‘ Vater. Auch Felix Lobrecht selbst ist in einer ganz kleinen Rolle zu sehen. Ansonsten aber wuppen die jungen Schauspieler diesen Film. Auf starke Weise bringen sie den schonungslosen Alltag der Gropius-Kids auf die Leinwand.
Sonne und Beton
D 2022, Regie: David Wnendt
Constantinfilm, 119 Minuten, ab 12
7/10
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