FR 03.03.2023 | 22.20 Uhr | Das Erste
Einerseits scheint man in der ARD nicht mehr so richtig Lust auf den Eurovision Song Contest zu haben. Erstmals lief die Live-Übertragung des deutschen Vorentscheids im Spätprogramm – erst nach dem Film in der Primetime und nach den Tagesthemen. Andererseits gibt man sich dann doch ziemlich viel Mühe, es besser zu machen als in den Vorjahren. Man stellt der Show ein Countdown-Format voran, das allerdings nur in der ARD-Mediathek und nicht mal bei one zu sehen war. Und auch die Show selbst und die Auswahl der neun Beiträge für den Vorentscheid lassen daraus schließen, dass man sich mehr Mühe geben wollte.
„Unser Lied für Liverpool“ ist „Blood & Glitter“ von Lord of the Lost. Die etwas härtere Rocknummer erinnert ein bisschen an Lordi und Måneskin, wird vermutlich keine Nummer 1 beim Finale in Liverpool, aber mit ein bisschen Glück auch kein letzter Platz. Nicht mein Favorit, aber eine Nummer, mit dem man eigentlich ganz gut leben kann, weil sie rockt, weil sie gut klingt und Spaß macht (im Gegensatz übrigens zu Eskimo/Electric Callboy, dessen Song einfach nicht genug war. Auch wenn einige Fans jetzt von einer Rache sprechen.)
Es waren aber noch andere ganz gute Songs dabei. Die Band Lonely Springs überzeugte, wobei unklar war, was diese komischen stillstehenden Figuren an der Bühne sollten. Auch René Miller hatte einen recht starken Song, stand aber seltsam starr auf einem Felsen rum. Trong und Will Church wären auch gute Kandidaten gewesen.
Wobei man auch feststellen muss, dass keiner der Songs an diesem Abend einen Nummer-1-Vibe für das ESC-Finale versprüht haben. Dazu fehlte allen Liedern das gewisse Etwas, das gewisse Gefühl, der Wow-Moment.
Von Ikke Hüftgold ganz zu schweigen. „Lied mit gutem Text“ hieß sein Lied mit nicht so gutem Text und Melodie. Er wurde auf TikTok gehypt, und es schien, als ob er den Vorentscheid mit einem Sieg krönt. Aber bei der Jury lag er hinten, und auch das Publikum wählte ihn nicht auf die 1, sondern mit relativ weitem Abstand auf die 2. Hüftgolds Song war einfach nicht cool genug, nicht eingängig genug – anders übrigens auch als Guildo Horn 1998, der zwar Trash war, aber eben einen guten, von Stefan Raab geschrieben Song im Gepäck hatte.
Insgesamt war „Unser Lied für Liverpool“ dann doch eine erfreulich abwechslungsreiche Show. Barbara Schöneberger war gut drauf, allerdings manchmal ein bisschen sehr flapsig. Trong nannte sie den „Menderes der ARD“, weil er sich schon mehrfach für den ESC beworben hatte. Eine Beleidigung ist das deshalb, weil Menderes im Gegensatz zu Trong nicht wirklich singen kann. Einem Herrn im Publikum sagte sie, dass sein Hut wegen es Doppelkinns wohl sehr eng sei. Aber das sind dann auch die Live-Huch-Momente, die so eine Show eben doch sehenswert machen.
Cool wäre es jetzt noch gewesen, wenn Malik Harris, der als Vorjahresteilnehmer Gast in der Show war (immerhin!), auch seinen neuen Song hätte auf der Bühne performen können. Dafür hätte man gern The BossHoss weglassen können…
-> Die Show in der ARD-Mediathek (bis 3. Juni 2023)
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