Überflieger: Kremmen hat einen Schachweltmeister

Frank Wessel (66) spielt in einem Online-Turnier so erfolgreich, dass er am Ende auf Platz 1 steht – zeitweise 14 Stunden am Tag vor dem Rechner

MAZ Oberhavel, 29.10.2022

Kremmen.
Normalerweise ist das Schachspiel eine sehr ruhige und konzentrierte Angelegenheit. Wenn man aber Weltmeister werden will, dann kann das auch schon harte Arbeit werden. Der Kremmener Frank Wessel hat es in diesem Jahr bei einem Online-Schachturnier geschafft.

Der heute 66-Jährige hat sich schon in seiner Schulzeit für Schach interessiert. „Ein Schulfreund hatte ein Brett dabei“, erinnert er sich. In der Armeezeit schloss er sich dann einer Schachmannschaft an – und immer wieder hatte er gewonnen. Er war 25 Jahre alt, da ist er dem Schachverein Dynamo Oranienburg beigetreten. „Wir haben schnell gemerkt, was für ein Potenzial wir haben.“ Der Verein ist schnell von der Kreisklasse bis in die Bezirksliga aufgestiegen. „Das hat unheimlich Spaß gemacht.“ Später spielte er in Schwante, inzwischen in Leegebruch.

Was mag er am Schachspiel? „Schach ist die Vielfalt an Kombinationen“, sagt Frank Wessel. „Manche sagen, Schach ist das komplizierteste Spiel, das es gibt. Man muss kombinieren, was man selbst spielt und was der Gegner spielen kann. Jeder Zug ist spielentscheidend.“ Bei einem normalen Spiel kämen die ersten 20 Züge schnell hintereinander, „dann geht es komplizierte Mittelspiel los“, sagt der Kremmener. „Da überlegt man manchmal bei einem Zug eine Stunde, wenn es extrem kompliziert ist.“ In der Regel ist ein Spiel nach 60 Zügen vorbei, es können aber auch 120 werden. Die maximale Spielzeit für eine Schachpartie beträgt fünf Stunden.

Beim Internet-Schachspiel sieht das schon ein bisschen anders aus – da geht es durchaus auch um Schnelligkeit. „Man spielt weltweit, 195 Nationen sind am Start“, sagt Frank Wessel. Auf der Schach-Seite chess.com im Internet werden solche Turniere angeboten. Während der Coronapandemie habe er das Onlinespielen für sich entdeckt – weil ja live zwischenzeitlich nichts ging. Je kürzer man die Spieldauer einstellt, je mehr Punkte bekomme man dort für einen Sieg. „Ich spiele eine Partie in zehn Minuten.“

Und so ging es los. Er arbeitete sich nach und nach im System hoch. War erst „Holz“, dann „Stein“, „Bronze“, später „Elite“ und „Champion“ – und schließlich auf der Stufe „Legende“, also ganz oben. Es sei ein Sonntagabend Anfang Juni gewesen, und bis zu einer bestimmten Uhrzeit konnte er Punkte sammeln, wie auch seine Gegner. „Mich hat beim Spielen immer nur interessiert: Wie geht es weiter?“, erinnert sich der Kremmener. „Dann war ich in der Legende-Staffel, und dann hast du ja nur solche Typen, die das geschafft haben und richtig gut sind.“ Am Ende sei es ein Zweikampf gewesen. Er habe gegen einen Amerikaner gespielt. Um 21 Uhr sei die Zielmarke gewesen, und kurz davor, habe Frank Wessel noch dicht hinten gelegen. „Der andere dachte, er habe es geschafft, aber ich habe weitergemacht und ihn dann noch überholt. Und plötzlich war ich Erster.“
Als Prämie bekam er einen großen Pokal und ein T-Shirt mit der Aufschrift „Frank Wessel, Schachweltmeister bei chess.com.“ Aber er musste dafür echt kämpfen. In den letzten Tagen saß er 14 Stunden pro Tag am Rechner. „Danach ist man geschafft und muss erst mal wieder runterkommen.“ Man müsse eine gute Kondition haben, um das gut durchzustehen. „Ich spiele immer noch auch im Internet Schach, aber nicht mehr so heftig. Ich habe ja draußen auch noch was zu tun“, sagt er mit einem Schmunzeln.

Ansonsten gefällt ihm nämlich der richtige Mannschaftssport besser. „Wenn sich bei einem Mannschaftskampf jeweils acht Leute gegenüber sitzen, dann ist da eine Spannung, das kann man sich gar nicht vorstellen“, erzählt er. Dann herrschte eine unglaubliche Ruhe, Handyklingeln führt zum Spielabbruch. „Wenn man intensiv Schach spielt, dann ist es nicht unnormal, dass man drei Kilo verliert.“

Wenn man Frank Wessel fragt, ob es auch im Schach Idole gibt, dann fällt ihm sofort Garri Kasparow ein. „Es hat noch keiner geschafft, so lange Schachweltmeister zu sein“, so der Kremmener. „Ich hatte mal das Glück, ihn im KaDeWe in Berlin kennenzulernen, mit Handcheck.“ Er hat nun ein Buch mit persönlicher Widmung.

Das Ziel, das sich Frank Wessel im Schachsport gesetzt hat, hat er nun erreicht. „Aber ich versuche mich nun weiterhin, mit meiner Mannschaft gut zu halten.“


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