Die Unbeugsamen

Es gab Zeiten, da saß eine (ja, eine) Frau im Regierungskabinett, und die Anrede des Vorsitzenden war dennoch „Meine Herren“. Schließlich sei die Frau unter den vielen Herren schließlich auch ein Herr.
Es gab Zeiten, da mussten sich Frauen im Bundestag anhören, dass sie wohl schon lange keinen Herren mehr abbekommen hätten.
Es gab Zeiten, da befummelte ein Politiker eine Politikerin von hinten, um zu testen, ob sie denn einen BH anhatte – weil er mit der Fraktion gewettet hat.
Es gab Zeiten, da schien es unmöglich, dass eine zweite (!) Frau Mitglied der Bundesregierung werden könnte. Und als es die zweite Frau geschafft hat, wurde sie später weggelobt, weil sie als Ministerin leider etwas genervt hat.
Die Zeiten gab es. Bis zu den frühen 90ern.
Und so richtig vorbei ist diese Zeit eigentlich auch noch nicht.

All das ist in der spannenden Doku „Die Unbeugsamen“ zu sehen. Torsten Körner blickt zurück auf die Bonner Republik, auf einen Bundestag voller Männer, die sich über Frauen beömmeln. Wo Frauen darum kämpfen mussten, überhaupt etwas zu sagen zu haben.
Die waren die Wegbereiterinnen der Gleichberechtigung: In Interviews erzählen Herta Däubler-Gmelin (SPD), Marie-Elisabeth Klee (CDU), Ursula Männle (CSU), Christa Nickels (Die Grünen), Ingrid Matthäus-Maier (FDP/SPD), Renate Schmidt (SPD), Rita Süssmuth (CDU) und andere ehemalige Politikerinnen, wie sie die damalige Zeit erlebt haben. Von Vorurteilen, Diskriminierungen und sexueller Belästigung – verbal und real.

Sieht man das alles im Jahr 2021, dann stockt einem manchmal der Atem. Hass und Häme, teilweise gerade mal 30 oder 40 Jahre her. Was sie Frauen damals alles anhören mussten, ist krass. Wie sich die Herren in ihrer Macht sonnten, ist bedrückend und sorgt heute für Fremdscham.
Was aber auch auffällt: Damals echauffierte sich die Herrenwelt darüber, dass sie künftig „Meine Damen und Herren!“ sagen sollten. Oder „Frau Ministerin“. Man musste sich umgewöhnen, und es war ungemütlich. Dieselbe Diskussion führen wir heute über das Gendersternchen, über den Umstand, dass es nonbinäre Menschen gibt. Und wieder ist es ungemütlich, und Leute regen sich auf, dass das Geschriebene komisch aussehe. All das sieht man in der „Frauenvariante“ in dieser Doku über „Die Unbeugsamen“.
Ein wichtiges Zeitdokument.

-> Trailer auf Youtube

Die Unbeugsamen
D 2020, Regie: Torsten Körner
Majestic, 100 Minuten, ab 12
8/10


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