Machen wir uns nichts vor: Es gibt sie immer noch, die Ost-West-Teilung in Deutschland. Der Osten ist immer noch „die ehemalige DDR“, und für viele Westdeutschen ist der Osten immer noch „drüben“. Und auch ich selbst, nehme Ostdeutschland immer noch als den „Osten“ wahr, als den Osten, der mal die DDR war, dem Land, aus dem ich auch komme. Ostdeutscher zu sein, ist eine Identität.
Johannes Nichelmann beschäftigt sich in seinem Buch „Nachwendekinder – Die DDR, unsere Eltern und das große Schweigen“ mit dem Umgang mit der DDR-Vergangenheit, und das auf sehr interessante Weise.
Angefangen hat alles damit, dass Johannes Nichelmann eines Tages im Keller seines Elternhauses eine alte NVA-Uniform gefunden hat. Es kam raus, dass sein Vater an der Grenze gedient hat. Jahre später erst kam es zum Gespräch darüber: Was bedeutete die DDR eigentlich den Menschen? Welche Zwänge gab es? Welche Ängste? Welche Freuden? Und was hatte alles miteinander zu tun?
Er beschäftigt sich aber auch damit, dass die DDR ja nicht gleich verschwunden war. Nachwendekinder im Osten wuchsen in einer Art Nachwende-DDR auf. Und selbst wenn sich Nachwendekinder gar nicht näher mit dem Ostdeutsch-Sein befasst haben – Nichelmann erzählt, wie er Anfang der 2000er mit der Familie nach Bayern gezogen ist und dort erst damit konfrontiert worden ist, ein Ostdeutscher zu sein.
Hauptanliegen des Buches ist es, miteinander zu reden. Die Vergangenheit sollte nicht verschwiegen oder verklärt werden. Es soll weder geschwiegen noch nur geschwärmt werden.
Der Schreibstil wirkt wie in einer modernen Fernsehdokumentaion mit einer Art Erzählerstimme. Nichelmann berichtet, wie er Leute getroffen hat, wie er die Treffen erlebt hat. Nicht nur den puren Inhalt der Gespräche.
„Nachwendekinder“ zeigt auch, dass eine Aufarbeitung der DDR eigentlich erst so langsam beginnt, mehr als 30 Jahre nach der Wende.
Johannes Nichelmann: Nachwendekinder – Die DDR, unsere Eltern und das große Schweigen
Ullstein fünf, 266 Seiten
8/10
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