Ein Leben mit dem Lärm – Familie Hoffmann wohnt in Neu-Vehlefanz nur wenige Meter direkt neben der Autobahn
MAZ Oberhavel, 16.6.2016
Neu-Vehlefanz.
Eine Idylle! Und eine Ruhe! Also, früher jedenfalls. Als Familie Hoffmann 1949 ihr Haus am Ortsrand von Neu-Vehlefanz baute, da war an eine Autobahn noch gar nicht zu denken. Das änderte sich Anfang der 70er-Jahre. „Da wurde die Autobahn nach Hamburg gebaut“, erinnert sich Fred Hoffmann. „Bis dahin war das ein ruhiges Fleckchen Erde.“ Der Vater kam eines Tages mit der Nachricht nach Hause, dass nur knapp 100 Meter entfernt die Autobahn gebaut wird. „Gefragt hat uns damals keiner.“
Immerhin konnte Fred Hoffmanns Vater verhindern, dass direkt vor ihrer Haustür eine Brücke gebaut worden ist. Sie entstand stattdessen weiter westlich, kurz vor Wolfslake. „Seitdem leben wir in einer Sackgasse“, sagt der Neu-Vehlefanzer, der seit dieser Zeit in einer Enklave seines Dorfes lebt. Ansonsten wäre, zusätzlich zur Autobahn, auch der gesamte Verkehr von Vehlefanz nach Perwenitz an ihnen vorbeigerauscht.
Das Brummen und Heulen der Autos und Lkw gehört für die Familie, die in Wolfslake eine Autowerkstatt betreibt, zum Alltag. „Mittlerweile rauscht das konstant.“ Erst seit einigen Jahren sei es schlimmer geworden. „Wenn mal gar kein Auto kommt oder Stau ist, dann werden wir nachts wach.“ Oder der Karfreitag-Stau: „Wenn ganz Berlin ausrückt, sitzen die Leute mit dem Hintern auf der Leitplanke – und es ist ganz ruhig.“ Stille ist etwas Besonderes, wenn man an der Autobahn wohnt. Immerhin gibt es schalldichte Fenster. Und das nicht mehr genutzte Gewächshaus, das aber immer noch als Schallschutz genutzt wird.
Der Lärm ist jedoch nicht das alleinige Problem. Fred Hoffmann erzählt: „Wenn ich sonntags nach dem Tatort auf den Hof gehe und das Sonntagsfahrverbot für die Laster zu Ende ist, werden wir daran erinnert wo wir wohnen.“ Dann, wenn die Lkw in Kolonnen auf der A 10 unterwegs sind, wabern die Dieseldämpfe in den Garten. „Fast wie in einer Werkstatt. Zu Ostzeiten ist mir das nie aufgefallen, da gab es aber ganz andere Gerüche, aber nicht in dieser Masse.“
Wer an der Autobahn lebt, bekommt hin und wieder auch schlimme Unfälle mit, die sich in das Gedächtnis einbrennen: „Einmal ist ein Taxi unter einen Lkw geraten, direkt gegenüber von uns. Das Auto fing Feuer, und wir haben den Fahrer schreien hören. Er ist lebendig verbrannt. Das vergisst du nicht. Denn das Schlimme ist: Letztlich kann man von hier aus nichts machen.“
Noch zu DDR-Zeiten gab es einen Wildschweinunfall. Der Trabifahrer bat bei Hoffmanns um Hilfe. „Aber das Auto war hin, und dem Wildschwein konnte man nicht mehr helfen.“
Wenn die Autobahn ausgebaut wird, rückt die Trasse weitere 27 Meter näher an das Grundstück heran. „Für den direkten Nachbarn ist das sicher ein Problem, für uns nicht so“, sagt Fred Hoffmann. „Obwohl: Eigentlich kann es ja nur lauter werden.“ Die Hoffnung, dass es irgendwann mal ruhiger wird, haben die Neu-Vehlefanzer längst aufgegeben. Anfangs konnten sie einfach direkt von der Autobahn in ihre kleine Straße abbiegen. Heute undenkbar.
Eine Befürchtung gibt es: Wird die Trasse auf sechs Spuren erweitert, könnten auch Sträucher und Bäume weichen – wieder ein Stück Schallschutz weniger. Immerhin gibt es Hoffnung auf eine Lärmschutzwand. Es sind vor allem Besucher, die immer wieder fragen, wie man denn mit der lauten Autobahn klarkäme. „Welche Autobahn?, fragen wir dann“, sagt Fred Hoffmann.
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Besuch von der Stasi
Mitte der 70er-Jahre bekam Familie Hoffmann Besuch. Weil sie so dicht an der damals neu gebauten Transitautobahn in Richtung Hamburg wohnte, hatte plötzlich auch das Ministerium für Staatssicherheit Interesse angemeldet.
Aus dem Schlafzimmerfenster hatte die Familie damals noch einen sehr guten Blick auf die Autobahn. Den wollte sich die Stasi mit Feldstechern zunutze machen, um den Verkehr beobachten zu können.
Die Familie lehnte ab, aber die Stasi ließ zunächst nicht locker. Der Ortspolizist (Abschnittsbevollmächtigte, ABV) kam auch noch vorbei, um Hoffmanns zur Mitarbeit zu überreden. „Aber ich hole mir doch keine fremden Menschen ins Haus!“, so Fred Hoffmann.
Es gab wohl sogar eine Beschwerde bei der damaligen Bürgermeisterin Reni Hoppe. „Aber auch sie hat das abgeblockt“, so Fred Hoffmann. Danach hat sich die Stasi nicht mehr gemeldet.
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