Richard III.

MI 27.04.2016 | 1.10 Uhr (Do.) | arte

Es ist ein abgefilmtes Theaterstück, keine Inszenierung fürs Fernsehen. Der Ton ist hallig und relativ mies. Und trotzdem: auf eine faszinierende Art fesselnd.

Wenn in der Schaubühne in Berlin „Richard III.“ mit Lars Eidinger in der Hauptrolle gezeigt wird, dann kann man sich relativ sicher sein, dass die Vorstellung ausverkauft ist. Dafür Tickets zu bekommen, ist gar nicht so einfach.
Immerhin gilt Lars Eidinger als Deutschlands bester Theaterschauspieler – und die Schaubühne als innovatives Haus.

In der Nacht zum Donnerstag wiederholte arte eine Aufzeichnung von „Richard III.“. Und allen Fernsehwidrigkeiten zum Trotz: Es vergehen nur wenige Minuten, und man stellt alle eventuellen Nebentätigkeiten ein. Das Stück fesselt, und vor allem: Eidinger fesselt. Diesem Mann beim Spielen zuzusehen ist ein Fest.
Gutes Schauspiel erkennt man daran, dass es nicht den Eindruck von Schauspiel macht. Eidinger lebt seine Rolle. Er spricht wie er spricht, man nimmt ihm die Rolle, die er spielt, ab. Er ist dieser Richard, er wie meckert, wie er lamentiert, wie er guckt, sich bewegt. Es ist großartig.
Aber auch die Inszenierung an sich sorgt dafür, dass man dem Geschehen gespannt folgt. Im Theater ganz sicher noch intensiver als vor dem Fernseher. Selbst wenn man dem Ganzen inhaltlich nicht immer folgen kann, jede Szene für sich nimmt einen als Zuschauer unheimlich ein.
So ist „Richard III.“ trotz der mangelnden Tonqualität auch ein Fernsehereignis.


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Kommentare

22 Antworten zu „Richard III.“

  1. ThomasS

    Lars Eidinger habe ich schon in einigen Fernsehfilmen gesehen.
    Ich werd’s mir mal anschauen.
    Vielleicht komme ich dadurch ja auf den Geschmack.
    Bisher hat mich Shakespeare mit seiner blumigen Sprache eher abgeschreckt.

  2. RT

    Ich weiß ja nicht, inwiefern die Schaubühnenversion von „Richard III.“ am Originaltext bleibt. Aber wenn man die sieht, hat man keinen blumigen Eindruck.

  3. ThomasS

    Am Anfang hatte ich zunächst den Eindruck, dass die Inszenierung überhaupt komplett auf Text verzichten will.

    Der Original-Text und die Übersetzung ins Deutsche aus dem 18. Jahrhundert müssten eigentlich frei verfügbar sein und sind es auch.

    vgl:
    http://gutenberg.spiegel.de/buch/richard-iii-2183/2

    Dort lese ich gleich zu Anfang die Version, die ich kannte:

    „Gloster.
    Nun ward der Winter unsers Mißvergnügens
    Glorreicher Sommer durch die Sonne Yorks;“

    Die Inszenierung nicht irgenbdeinen Gloster sprechen, sondern gleich Richard selbst:

    „Jetzt wurde der Winter unserer Erniedrigung zu strahlendem Sommer durch diesen Sohn der Yorks“. „Sun“ und „Son“ spricht sich im Enlischen fast gleich aus und es handelt sich dabei zweifellos um ein beabsichtigtes Wortspiel, das nicht ins Deutsche zu übertragen ist. Somit hat jeder Übersetzer eine Entscheidung zu treffen, ob von einem Sohn die Rede ist oder glorifizierend von der Sonne.

    Doch auch abgesehen von der Sprache handelt es sich um schwere Kost!

    Als Behinderter ist Richard zwar von königlichem Geblüt, kann aber nicht in derselben Form an den Privilegien teilhaben, als wäre er wie alle anderen. Mit seinem überaus wachen Geist weiß er die politischen Ränkespiele seiner Umgebung zu durchschauen und macht sie sich zu eigen. Von seiner Rhetorik profitiert bis heute noch jeder Klinkenputzer und Wnkeladvokat. Die Frau, deren Vater und Eheann er getötet hat (und die ihn daher zu Recht hassen müsste), würde ihn am Ende seines Plädoyers nicht nur nicht töten, sondern sogar mit sich ins Bett nehmen.

    Zuglich stellt die Inszenierung Richard als zerrissene Persönlichkeit dar.
    Er hetzt, er mordet, er intrigiert … aber immer in dem Bewusstsein, dass er selbst nichts mehr verlieren hat. Er ist selbst ganz erstaunt, dass er mit seinen Ränkespielchen immer wieder durchkommt Das macht ihn zu einem gefährlichen Typen. So verstehe ich die Inszenierung, soweit ch sie bisher gesehen habe. Fehlt nur noc das Hitlerbärtchen unter Eidingers Nase und die Parallele zur Neuzeit wäre perfekt. Aber das gab’s bestimmt schon längst.

  4. ThomasS

    „Zuglich stellt die Inszenierung Richard als zerrissene Persönlichkeit dar.
    Er hetzt, er mordet, er intrigiert … aber immer in dem Bewusstsein, dass er selbst nichts mehr verlieren hat. Er ist selbst ganz erstaunt, dass er mit seinen Ränkespielchen immer wieder durchkommt“

    Nein, „erstaunt“ ist zu wenig … er ist selbst fassungslos. entsetzt, bestürzt darüber, wie weit er gehen kann. Das sieht man seinem Gesicht an, wenn das Mirkrofon von den Mund nimmt, um seine intimsten Gedanken zu offenbaren.

  5. RT

    Schon gesehen?

  6. ThomasS

    Zur Hälte bin ich durch.

  7. RT

    Mit der Schaubühnen-Aufführung oder eine andere? Oder als Buch?

  8. ThomasS

    Die rede ist von der Aufführung, die du besporchen hast.
    Diese st allerdings auch durchaus „schwere Kost“, obgleich es sich um eine zeitgenössische Inszeneierung handelt. Oder vielleicht auch gerade deshalb. Da erscheint mir „Game of Thrones“ als moderne Bearbeitung shakespearischer Themen noch deutlich leichter verdaulich.

    Wie du schon selbst feststellst: Eidinger ist als Rishard III. durchaus charismatisch, aber es ist durchaus nicht immer einfach, der Handlung zu folgen. Oder zu kapieren, worauf die Inszenierung hinaus will, wenn sie beispielsweise zwei Handpuppen auf die Bühne bringt. Sowas will ich dann unbedingt kapieren und daher schaue ich mir einzelne Szenen auch an bis zum Gehtnichtmehr, um das irgendwie aufdröseln zu können. Mitunter kapituliere ich auch. Dann bleibt das halt liegen bis zum St.-Nimmerleinstag.

  9. ThomasS

    Richard kann zu Anfang als missgestalteter Mensch mit dem Tanderadei der Friedenszeit nichts anfangen, weil das was mit Sex zu tun hat weil er gelernt hat, dass er aufgrund seiner Missbildung nicht attraktiv ist. Daher setzt er alles daran, einen neuen Krieg anzuzetteln. Aber er stünde auf verorenem Posten, gäbe es in seinem Umfeld nicht jede Menge weiterer Machtinteressen, die er sich gekonnt zunutze macht.

    Duhast mir irgendwann mal geschrieben, dass du „Game of Thrones“ nie geschaut hast. Ich denke mir, selbst die oberflächlichste Kenntnis von Shakespeare macht es einfacher, „Game of Thrones“ zu verstehen. Umgekehrt. leistet „Game of Thrones“ seinen Beitrag dazu, sich ganz frei von kulturellen Barrieren leichter auf die shakespearischen Originale einzulassen, wie sie damals auf den öffentlichen Marktplätzen aufgeführt wurden. Das war das „Fernsehen“ der damaligen Zeit.

  10. RT

    Hm, also den Reiz habe ich bei solchen Aufführungen nicht so zwingend, alles verstehen zu müssen. Bzw habe ich bei solchen Dingen eh das Gefühl, nicht alles zu verstehen und erzwinge das dann auch nicht.

  11. ThomasS

    Irgendeinen Sinn müssen die ganzen Merkwürdigkeiten doch aber haben und den gibt es sicherlich auch. Doch vielleicht hast du sogar recht und man steht sich selbst im Weg, wenn man allzu verkopft an solch eine Inszenierung heran geht, und bringt sich um das Erlebnis. Aber so bin ich nun mal gestrickt. Ich will den Hintergründen immer gern auf den Grund gehen.

    Am cleversten wär’s wahrscheinlich, das Gesamtkunstwerk erst einmal komplett durchlaufen und auf sich wirken zu lassen. Analysieren kann man dann später immer noch, wenn man sich das Stück Schritt für Schritt nochmal anschaut. Das ist dann aber kein Genuss, es ist Arbeit.

  12. RT

    Bei mir ist es dann eher so, dass ich mich total freue, wenn ich so was entschlüsselt habe. Ich ärgere mich da eigentlich nur, wenn was so abgedreht doof ist, dass es offensichtlich schwer zu entschlüsseln sein soll.

  13. ThomasS

    Da muss eich dir zustimmen.
    Mitunter habe ich den Verdacht, dass da überhaupt nix verschlüsselt werden sollte, sondern dass einfach nur Quatsch erzählt wrd. Und dennoch ist sogar dieser Blödsinn das Produkt eines Menschen und seiner lebensgeschichte und darf somit zum Nachdenken anregen… unabhängig davon, ob der betreffende Autor/Regisseur das will oder nicht.

  14. RT

    Immerhin hats mich bewogen, mir das Ganze bis 3.30 Uhr reinzuziehen…

  15. ThomasS

    Ohne Zweifel eine Reife Leistung! 😉

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