Er ist wieder da

Deutschland steht vor einer Bewährungsprobe. Die Frage ist: „Schaffen wir das?“ Und sie bezieht sich auf gleich zwei Probleme. Ganz aktuell die Flüchtlingskrise. Aber noch brisanter ist sie, wenn wir Fragen: Schaffen wir das, dass der braune Mob in Deutschland nicht wieder die Oberhand bekommt? Schaffen wir das, dass die Demokratie stark genug ist, sich gegen die Neonazis zu wehren?
Was passiert denn, wenn plötzlich eine Persönlichkeit auftaucht, die uns alle einlullt? Die irgendwie nett erscheint, die irgendwie sagt, was viele irgendwie richtig finden. Was aber dann, wie es ja immer heißt, natürlich nicht rechts ist und die einen nicht zu einem Nazi macht. Die letztlich aber eben doch rechts ist und ein Nazi. Wo es dann aber zu spät ist…
Was wäre denn zum Beispiel, wenn ER wieder da ist?

Hitler. Irgendwann, im Sommer 2014, erwacht er in einem Gebüsch in Berlin-Friedrichshain. Was seit dem 30. April 1945 passiert ist, weiß er nicht. Dass Berlin so gut aussieht, überrascht ihn. Auch dass so viele Türken da leben. Er muss erst mal eine Zeitung in die Hand zu nehmen, um zu erfahren, in welchem Jahr er sich befindet.
In seiner Uniform und mit seinem Aussehen – er sieht ja so aus wie… nein, er ist ja schließlich der Adolf Hitler (Oliver Masucci).
Fernsehmann Sawatzki (Fabian Busch) wird auf ihn aufmerksam, er hält ihn für einen Comedian und stellt Hitler seinen Bossen (Katja Riemann, Christoph-Maria Herbst) vor. Sie denken, der Fremde will sein Privatleben geheim halten und deshalb seinen “wahren” Namen nicht nennen. Er darf in einer Comedyshow auftreten, und alle finden lustig, was er sagt. Dabei sagt er gar nichts Lustiges. Sondern das, was er eben denkt. Was er, Adolf Hitler, plant.
So schleicht er sich nach und nach in den Alltag ein, widersetzt sich allen Empörungswellen und Misstrauensvoten. Der Erfolg macht ihn berühmt. Wieder berühmt. Alle finden es lustig, dabei ist sein Plan perfide.
Er ist wieder da. Und er hat sich nicht geändert.

David Wnendt den Roman von Timur Vermes ins Kino gebracht. Die einerseits unheimliche, andererseits irgendwie auch lustige Geschichte.
Wnendt gelingt es recht gut, den gruseligen Gegensatz zu schaffen, dass der Zuschauer sich dabei erwischt, Sympathien zu Hitler zu hegen – und es ihn gleichzeitig anekeln zu lassen. Denn genau das will er zeigen: dass da jemand ist, der unser Herz erobert – der aber unglaublich gefährlich ist. Eine Erkenntnis, eine Parabel, die in der aktuellen Debatte sehr erhellend und erschreckend ist.
Im Film trifft der Film-Hitler auf reale Menschen aus dem realen Leben. Das sind die Momente, wo die Fiktion mit der Realität verschmilzt. Es sind mitunter gespenstische Augenblicke, wenn man sieht, wie fröhlich die Leute auf Hitler reagieren. Wobei man natürlich sagen muss, dass ihn im realen Leben die Leute relativ sicher für eine Satirefigur hielten.
Es ist schwer rauszufinden, was echt ist und was nicht. Wenn Hitler in der NPD-Parteizentrale in Berlin-Köpenick auftaucht, dort eindringt und den Parteivorsitzenden auf unglaubliche Weise niederbürstet, dann stockt einem der Atem. Einerseits weil er die NPD als Deppen darstellt – andererseits weil er eben jene NPD für viel zu harmlos hält. Das Lachen bleibt im Hals stecken, denn schnell wird in diesem Film bitterer politischer Ernst. Aber real sind die Szenen nicht.
Wnendts Film ist Satire, an einigen Stellen leider zu klamaukig, am Ende zu offen moralisch (die Buchvorlage hat eine Moral, ohne sie auszusprechen) – aber sie packt einen. Weil sie uns sehr deutlich zeigt, was passieren kann, wenn…
Hitler sagt im Film mit Blick auf die (wahren) Pegida-AfD-NPD-Demos: „Damit kann ich arbeiten.“ Dann ist die Satire keine mehr.

Er ist wieder da
D 2015, Regie: David Wnendt
Constantinfilm, 116 Minuten, ab 12
8/10


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Kommentare

3 Antworten zu „Er ist wieder da“

  1. HU-Zeit

    sas gibts auch noch. Blödeleien auf Kosten des Führers, sollten soforrt alle stranguliert werden, bei lebendigen Leibe.
    Was glauben diese Arschköppe, daß Hitler ne Witzfigur war?
    Und wenn er eine war, gäbe es lächerliche Momente, oder lachhafte daran, außer, was, den Film gibts wirklich?
    Nun denn:
    „Den jungen Vereinigten Staaten zollte er in mancher Beziehung großen Respekt. Wiederholt sprach er voll lebhafter Bewunderung von dem biologisch noch unverbrauchten Volk der USA, das den Mut zu einer „Prohibition“ aufgebracht, also die Herstellung und den Ausschank von alkoholischen Getränken von 1920 bis 1933 gesetzlich verboten hätte. Nur ein im Kern noch gesundes Volk bringe es fertig, so meinte er, solche Maßnahmen zur Gesunderhaltung der Volkssubstanz durchzuführen.“

    Es überrascht mich, daß Hitler von Menschen verwendet wird, um, nun ja, als Bedeutungskäse zu fungieren. Das ist doch eine Albernheit. Kleine Wichser, die damals mit Leni Riefenstahl losgezogen wären, um irgend einen Wehrmachtsbetreuungsschund runterzuschmiergeln, machen jetzt einen auf Hitlerverarsche, denn dies bringt sichere Kundschaft, und Gerede darüber. Scheint mir kläglich.

    „Eine Verwandte, die seinerzeit – (damals noch eine Ausnahme!) – den Orchesterproben zu „Tristan“ beiwohnen durfte, verbürgt, daß Toscanini, der seiner fast blinden Augen wegen auswendig dirigierte, plötzlich abgeklopft habe. „Da spielt doch ein Fagott G, es muß aber Ges heißen“. Der betreffende Kammervirtuose ruft: „Hier steht aber G, Maestro“. [In allen Ausgaben steht G] Es wird also die Urpartitur heraufgeholt, die im Archiv liegt. Tatsächlich, Toscanini hatte recht, Wagner hat Ges verlangt. Vierzig Jahre lang hat das Fagott eine falsche Note gespielt, die nur Toscanini gehört hat. In größten und besten Orchester der Welt!“

    Schlimm schlimm, das. Gerade so der Führer filmisch in die NPD-Zentrale reinrennt, den Jungs weiche Noten vorwerfend.

    Na, werde ich mißachten, dat Teil. Müssen Filme eigentlich dauernd gemacht werden, aus der Privatinitiative heraus von Leuten, für die, und mich, Reichsarbeitsdienst eine bessere Wahl wären? Und, da Reichsarbeitsdienst so ein furchtbares Wort ist, während Flüchtlingsströme aus dem dauerumtosten Orient herübergelangen, während die Kapitalverschiebung obszöne Formen annimmt, ebenso wie die Pressehegemonie, brauchts denn da wirklich noch so einen Scheißdreck?

    Was schert´s mich.

    PS.: beide Zitate aus HS Ziegler, „Adolf Hitler aus dem Erleben dargestellt“, 1964 Schütz Göttingen

  2. RT

    Ganz schön viel geschrieben für „Was schert’s mich“.

  3. HU-Zeit

    @RT: Jahaha, wie so viele neige ich zur Geschwätzigkeit, sobald durch alkoholische Getränke angeheitert.

    @Rene: Nun mal schön die Kirche im Dorf lassen:
    Was die Einleitung betrifft, beziehe ich mich damit in satirischer Form auf die Praxis der Sondergerichte im Dritten Reich, Todesurteile für Defätismus zu verhängen.

    („Der Vollzug der Todesstrafe, die von Militärgerichten verhängt worden war, sollte nach § 103 der ersten Fassung der Kriegsstrafverfahrensordnung (KStVO) durch Erschießen, bei Frauen grundsätzlich durch das Fallbeil vollzogen werden. Tatsächlich wurden bei Todesurteilen oftmals Oberstaatsanwaltschaften um Übernahme der Strafvollstreckung ersucht, in deren Richtstätten eine Enthauptung vorgenommen wurde. Ab Ende 1942 wurden erstmals kriegsgerichtlich verurteilte Militärpersonen durch Hängen getötet.“)
    http://de.wikipedia.org/wiki/Wehrkraftzersetzung#Vollstreckung_der_Todesurteile

    Belästigt fühle ich mich bereits von den überhand nehmenden Anzahl von NS-Dokumentationen, die im deutschen Fernsehen laufen, so als ob das tausendjährige Reich noch voll im Gange wäre. Weshalb meine Reaktion zu dem o.a. Spielfilm sehr heftig ausfiel, heftiger als dem Gegenstand angemessen. Ich denke, wenn es um historische Figuren geht, die Leichenberge hinterließen, die über 56 Millionen Menschen zählen, erscheint mir eine strafrechtliche Verfolgung angesichts Ausdrücken wie „Wichser“ oder „Arschköppe“ in solchem Zusammenhang einfach nur absurd.

    Dein Ruf nach dem Richter, Rene, prallt hier ab an meiner Meinungsfreiheit, Menschen beleidigen zu dürfen, die aus Hitler eine lustige Schmusefigur machen wollen, um des schnöden Mammons willen – was ich wiederum für obszön halte, ohne deshalb gleich die Justiz anrufen zu wollen.

    Schön Tag auch!

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