Die Verführungskünste der Martinifrauen

Ein Blick aus dem Bürofenster: Drüben, auf dem Schulplatz in Neuruppin, steht wieder ein Riesenrad. Der Martinimarkt beginnt. Aber wir sind enttäuscht: Das Riesenrad ist ganz schön klein – also, zumindest für Neuruppiner Verhältnisse. 2009 stand dort immerhin eines der größen Riesenräder Europas – auf dem ich allerdings nach dem damaligen Wintereinbruch kurzzeitig gefangen war.

Während noch am Nachmittag auf der Martinimarkt-Meile entspannte Stille herrschte, war der Trubel nur drei Stunden später groß.
Im Festzelt nuschelte Bürgermeister Jens-Peter Golde seine Eröffnungsrede, dass der Markt nun eröffnet sei, fiel irgendwie unfeierlich in einem Halbsatz. Mit einem Böllerschlag kam dann das Signal: Jetzt geht’s los. Die Karussells setzen sich in Bewegung.

Es ist der blanke Wahnsinn, was da in Neuruppin alles aufgefahren wird. Geisterbahnen, Berg- und Talbahnen, Megaschaukeln und was weiß ich nicht noch alles. Dazu zig Fressbuden, Getränkestände, Losbuden und Büchsenwerfanlagen. Ich liebe den Martinimarkt, erwähnte ich das schon?

Ich war heute Abend mit zwei Frauen unterwegs auf dem Markt. Beide Kolleginnen sind begeisterte Fahrgeschäftsmitfahrerinnen – so richtig mit Kreischen und so, wie zumindest eine von ihnen sagte. Und beide wollten sie mich überreden, dass ich mit ihnen mitfahre.
Das Dumme ist nur: Ich hasse so was.
Und um eventuellen Kommentaren vorzubeugen: Ja, ich bin ein Angsthase, ein Schisser, eine Pussi, eine Mimose. Aber egal, ich bleibe dabei, nämlich beim Nein.

Meine Kolleginnen ließen jedoch nicht locker. Der „Breakdance“, der ist doch gar nicht schlimm, sagten sie. Doch, doch, der ist ganz schön schlimm, sagte ich. Ist ja auch so: Es geht im Sitz hoch und runter, gleichzeitig um die eigene Achse. Furchtbar. Wer in Neuruppin auf den „Breakdance“ will, muss übrigens seine Ellenbogen benutzen. Der Mitfahrerwechsel auf dem Braschplatz ist ein echtes Schauspiel: Kaum steht das Fing still, rennen die Leute – vornehmlich Jugendliche – los, um die besten Plätze zu ergattern.

Oder der „Take Off“: eine Karussellfahrt auf schräger Fahrscheibe. Der ist doch gar nicht schlimm, sagen meine Kolleginnen. Der ist ganz schön schlimm, sage ich.
Oder der „Jet Force“: eine Art Riesenschaukel über Überschlag in 25 Metern Höhe. Mir wird schon ganz anders, wenn ich das nur sehe. Meine Kolleginnen finden den natürlich überhaupt nicht schlimm.
Ich bleibe standhaft. Das Riesenrad, damit könnte ich mich anfreunden. Oder mit der Geisterbahn. Oder mit einer Schokobanane. Oder Puffern. Oder Bratwürsten.


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