Morgens um 5.05 Uhr in Kremmen

Da sitzt man nun zu Hause, es ist die Nacht zum Ostersonntag, und man macht irgendeinen Kram. Dabei ist diese Nacht durchaus etwas Besonderes – genau wie die Heilige Nacht zu Weihnachten.
Es ist fünf nach Fünf, als ich in Kremmen vor der Nikolaikirche ankomme. 5.05 Uhr am Morgen. In der Ferne war der Tag schon er erahnen.
„Wir sind zu spät“, sagt Matthias Dill. Er ist der Chorleiter in der Kirche. Die Osternacht in der der Kirche soll um 5.30 Uhr beginnen. Ganz schön früh. Und dennoch zu spät. Es ist eigentlich schon zu hell für die Zeremonie. Aber weil Ostern diesmal sehr spät dran ist, ist’s morgens um diese Zeit schon recht hell.

Pfarrer Thomas Triebler erklärt, warum Kremmen den Ostergottesdienst zu dieser eher ungewöhnlichen Zeit feiert. „Um diese Zeit herrscht eine ganz eigene Atmosphäre.“ Eigentlich soll die Feier der Auferstehung Christi im Dunkeln beginnen. Also wirklich im Dunkeln. In der Kirche soll kein Licht brennen, nur ein paar Kerzen. Erst nach und nach soll die Helligkeit in die Kirche einziehen.

Viele Besucher sind schon erstaunlich wach. Einige der Chormitglieder lachen. Aber nicht alle so gut drauf. Eine Familie mit Kind kommt in den Vorraum, der Sprössling hängt noch schwer in den Seilen.
Ich frage den Pfarrer: „Fällt Ihnen das Aufstehen schwer?“ Er lächelt nur und reicht die Frage an die Besucher weiter. „Ich habe mein Kuschelkissen vergessen“, antwortet ihm eine Frau. Ein Mann berichtet vom Wecker seiner Frau, der sich irgendwie nicht abstellen ließ.

Der Chor begrüßt die Kirchenbesucher mit Taizé-Gesängen. Es ist ganz still in der Kirche. Nur die Lieder des Chores. Ein schöner Augenblick.
Dann, um 5.27 Uhr, läuten die Glocken. In Kremmen beginnt das Osterfest.
In der gesamten Kirche stehen Menschen mit Kerzen und lesen aus verschiedenen Texten vor. „Warum ist diese Nacht so anders?“, liest ein junges Mädchen vor.

Und das ist tatsächlich eine interessante Frage. Viel spannender ist aber die Frage: „Warum ist diese Nacht für die meisten Leute nicht anders?“
Immerhin gab es Karfreitag vielerorts Stunk, weil an diesem Tag ein Feierverbot herrscht, Veranstaltungen mit lauter Musik sind verboten. Traditionen zählen nicht mehr, es muss an jedem Tag gefeiert werden, ansonsten fühlen sich die Menschen in ihrer Freiheit beschnitten. Besinnlichkeit gibt es nicht mehr.

Dann wird die Osterkerze reingetragen, alle Gäste bekommen ebenfalls Kerzenlicht. Die Flamme wird von Mensch zu Mensch gereicht.
Es ist eine ruhige Atmosphäre, rührend fast, irgendwie magisch. Diese Dunkelheit, das Schummerlicht. Das Warten auf den Tag, auf die gute Nachricht, dass der Feiertag angebrochen ist.
Mich hat das sehr berührt. Ich finde es gut, mal Momente zu haben, in denen man innehält. In denen man darüber sinniert, was war und was kommen wird.

Nach und nach wird es hell in der Kirche. Das Oster-Evangelium wird vorgelesen, der Chor singt: „Christ ist auferstanden!“
Als der Gottesdienst kurz vor halb sieben zu Ende ist, lodert im Garten der Kirchengemeinde schon das Osterfeuer. Und ich fahre nach Hause – mit dem Gefühl, den Ostersonntag würdig begonnen zu haben.


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