Randale beim Chinesen: Bloß nichts anmerken lassen!

Mittagspause in Neuruppin. Und die bange Frage: Wo könnte ich denn heute mal essen gehen? Möglichkeit 1: Die Kantine vom Arbeitsamt. Aber da waren wir Mittwoch schon. Möglichkeit 2: Der Imbisswagen auf dem Markt. Aber da waren wir Dienstag schon. Möglichkeit 3: Das Bistro in der Nähe der Kulturkirche. Aber da war ich vergangene Woche schon. Möglichkeit 4: Der Bioladen in der Bilderbogen-Passage. Aber da waren wir neulich schon, und heute gab’s die gleiche Suppe. Möglichkeit 5: Das grüne Café. Aber da gab’s auch nur Suppe und belegte Baguettes. Möglichkeit 6: Der Imbiss am Rand des Schulplatzes. Öhm, nein. Möglichkeit 7: Der Dönerladen am Bahnhof. Zu weit. Möglichkeit 8: Der Italiener abseits des Schulplatzes. Aber da war ich auch erst neulich – und war der einzige Gast. Möglichkeit 9: Das Chinalokal daneben.
Und das sollte es sein.

Ich setzte mich an den Tisch. Das heißt, ich versuchte es, aber der Stuhl war so wacklig, dass ich nochmal aufstand und die Stühle austauschte. Hinter mir krachte irgendwas zu Boden. Ich achtete nicht weiter drauf, nahm es irgendwie gar nicht wahr. Ich setzte mich wieder, als schon eine junge Dame die Karte brachte. Ich wählte aus: einen Tee, eine Cola und Eierreis mit Huhn nebst Pekingsuppe.
Das Wort Pfefferminztee kannte die junge Frau nicht. Okay, das ist verständlich. So viele Leute werden bestimmt beim Chinesen keinen Pfefferminztee bestellen. Also nannte ich ihr die Nummer. Aber die kannte sie nicht. Ich musste sie ihr zeigen. Sie verstand. Ich bestellte das Essen. Sie verstand wieder nicht, weder den Namen des Gerichts noch die Nummer. Ich zeigte sie ihr auf der Karte, und sie verstand.

Irgendwie ungewöhnlich, dass die Bedienung so gar nichts von dem versteht, was ich ihr zu sagen hatte. Dabei ist doch meine Aussprache – meistens – ziemlich klar. Aber vielleicht war es ja ihr erster Dienst. An diesem Tag. Den Laden gibt’s nicht erst seit gestern. Aber vielleicht bekommt sie die Nummern von den anderen Kunden ja auch immer gezeigt.

Minuten später. Ich hatte mein Essen, las die Zeitung, als plötzlich ein Mann schräg hinter mir stehen blieb. Offenbar der Chef. Er blieb stehen und guckte.
Ich ließ mir nichts anmerken, aber eigentlich war mir doch klar, was er sich besah: Offenbar muss der Stuhlwechsel einen kleinen Schaden hinterlassen haben.
Ich las stoisch weiter in der Zeitung und schaufelte den Reis in mich rein. Nur nichts anmerken lassen. Nicht umdrehen!
Der Mann rührte sich nicht vom Fleck. Bestimmt eine Minute lang. Ich überlegte, ob er mich vielleicht hypnotisieren würde. Oder in Gedanken erwürgen. Oder umbringen. Wer weiß das schon so genau?
Plötzlich sagte er etwas auf Chinesisch, woraufhin die Frau erschien, die mich gerade noch bedient hat. Sie redeten ein wenig, und sie begann, hinter mir aufzufegen, was aufzufegen war.
Ich tat so, als würde ich davon nichts mitbekommen. Man muss sich ja auch nicht in alle Angelegenheiten einmischen.

Am Ende bezahlte ich, wir verabschiedeten uns freundlich, und wer weiß, wann wir uns wiedersehen.


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