Wahrheit ist Arbeit

Kunst:Neue Ausstellung in der Villa Schöningen rund um die Grenzbereiche künstlerischer Freiheit

MAZ Potsdam, 3.7.2010

POTSDAM / BERLINER VORSTADT
Heizen durch Pupen. Was im ersten Augenblick ein bisschen unangenehm scheint, ist in Wirklichkeit sehr unterhaltsam. „Heizen durch Pupen“ ist nur eine der mitunter etwas schrägen Überschriften einer neuen Ausstellung in der Villa Schöningen unweit der Glienicker Brücke. Wer durch die Räume schlendert, trifft auf Stichworte wie „Facharbeiterficken“, „Aktion Pisskrücke“, „Samenbank für DDR-Flüchtlinge“ oder „Durch die Pubertät zum Erfolg“.

Unter dem Motto „Wahrheit ist Arbeit“ ist gestern Abend eine von dem Hamburger Sammler Harald Falckenberg kuratierte Ausstellung eröffnet worden. Mitinitiiert wurde sie von Mathias Döpfner. Dem Vorstandschef des Springer-Verlages gehört die Villa an der Berliner Straße. Der Titel geht auf eine 1984 von Zdenek Felix verantwortete Schau mit Werken von Werner Büttner, Georg Herold, Martin Kippenberger und Albert Oehlen zurück. In der Villa Schöningen hat Harald Falckenberg deren Schlüsselwerke zusammengestellt.

So sind in einem der Räume die „I.N.P.-Bilder“ zu sehen: Ist nicht peinlich. Harald Falckenberg steht daneben und lächelt. Die an dieser Stelle gezeigten vier Bilder von Werner Büttner drehen sich um die Flüsse Inn, Main, Po, Rhein. Der Kurator lacht, als er das laut vorliest. Im Raum dahinter ist eine Mischtechnik auf Luftmatratze zu sehen. Mathias Döpfner findet das passend: „Sie hängt an einem der idyllischsten Landschaftsblicke.“ Er blickt aus dem Fenster zum Jungfernsee: „Deswegen ist die Ausstellung hier so richtig, weil sie so falsch ist“, so Döpfner weiter. Eines von Falckenbergs Lieblingwerken zeigt ein „Stillleben mit sibirischem Kinderwagen.“ Wieder ein Raum weiter ist ein Frosch zu sehen, der ans Kreuz genagelt ist. Der Künstler Martin Kippenberger betitelte das Ganze so: „Was ist der Unterschied zwischen Casanova und Jesus? Der Gesichtsausdruck beim Nageln.“ Damit löste er in den 90ern einen Streit über Blasphemie in der Kunst aus.

Die Ausstellung, die bis Ende Oktober in der Villa Schöningen zu sehen ist, macht Spaß. Sie weckt verschiedenste Emotionen beim Betrachter. Sie irritiert, sie belustigt, sie macht nachdenklich. Vielleicht widert sie den einen oder anderen sogar an. „Es sind Künstler, die sich mit ihrer frechen und respektlosen Haltung gegen Regimedenken und Angepasstheit auflehnen“, so Kurator Falckenberg. Die Unvernunft in vielen der in der Villa gezeigten Werke findet er besonders spannend: „Wenn Unvernunft herrscht, dann geht’s los mit der Kunst“, sagt er. Mathias Döpfner freut sich über die neue Ausstellung im Haus: „Die Tabuzonen und Grenzbereiche künstlerischer Freiheit werden humorvoll und ironisch ausgeleuchtet.“

Öffnungszeiten: Donnerstag und Freitag von 11 bis 18 Uhr, am Wochenende ab 10 Uhr.


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