Klein-Japan liegt in Bartschendorf

Auf dem Hof der Familie Jochems in dem 100-Seelen-Dorf in Ostprignitz-Ruppin sprießen die Kirschblüten, wächst der Bambus und plätschern die Brunnen.

MAZ – Die Märkische, 17.4.2010

Von außen sieht das Grundstück der Familie Jochems in Bartschendorf (Ostprignitz-Ruppin) recht unscheinbar aus. Doch einmal durch das Gartentor gelaufen, steht der Besucher mitten in Japan. Kirschbäume, die gerade beginnen zu blühen. Schlehen, Felsenbirnenbäume, Bambus, beschnittene Kiefern und Azaleen, geharkte Schotterflächen. Irgendwo dazwischen ein kleiner Brunnen, in dem das Wasser vor sich hinplätschert. Am Ende eines Steinplattenweges befindet sich eine überdachte Sitzbank mit Blick in den Teegarten. Am Wegesrand steht der Kuchenbaum, dessen vertrocknete Blätter im Herbst tatsächlich Plätzchenduft verbreiten.

Gesine Jochems ist sichtlich stolz auf ihren 7000 Quadratmeter großen Garten, der in seiner Art in der Region einzigartig ist. „Der Garten ist unser Hobby, unser Beruf, alles zusammen“, sagt die 49-Jährige. Gemeinsam mit ihrem Mann Reiner betreibt sie seit 1997 den Hof, der in diesem Frühjahr in die dritte Saison unter dem Namen Roji als Schaugarten geht. Roji bedeutet: taubedeckter Waldweg.
„Eigentlich sind wir Grafiker“, erzählt Gesine Jochems. Als aber eines Tages ihr Mann seinen ersten Garten angelegt und sich dafür entsprechende Bücher – eines handelte von japanischen Gärten – gekauft hatte, war es um die beiden geschehen. „Es war Liebe auf den ersten Blick“, sagt sie und lächelt. Beide entschlossen sich, eine Firma zu gründen, die sich auf solche japanischen Gärten spezialisiert. Von Berlin aus suchten sie nach einem Areal, das sie bewohnen und gestalten konnten. Über Bekannte kamen sie so nach Bartschendorf. Der Ort liegt zwischen Friesack im Havelland und Neustadt (Dosse). Gesine Jochems erinnert sich: „Als wir erstmals über den Plattenweg hierher fuhren, da wusste ich: Ich bin zu Hause.“ Für sie stand immer fest: „Entweder volle Pulle Großstadt oder ganz weit draußen.“ Der Ort hat knapp 100 Einwohner. „Alle haben wir einen tollen Blick auf die weite Wiese hinter unseren Grundstücken.“

Mehrere verschiedene kleine Themenparks bietet Roji. Im Trockenlandschaftsgarten beginnt die brandenburgische Japan-Rundreise. „Der bleibt immer, auch im Winter“, sagt Gesine Jochems. Im dahinter liegenden Teegarten soll es ab dem kommenden Jahr auch Teezeremonien geben. „Das ist unser Ruhepol.“ Die Wartebank dafür steht schon in der kleinen Hütte. Davor plätschert ein Wasserspiel vor sich hin. „Das alles wirkt wie an den Hüttchen in den ländlichen Gegenden Japans.“ Im Bonsaigarten auf der anderen Seite des Areals züchten die Jochems diverse Zierpflanzen. Bald gibt es auf dem Gelände auch einen Teichgarten mit Koi-Karpfen, die Arbeiten dafür laufen bereits.
Jetzt, im Frühjahr, sprießen bald die Kirschblüten. Das wird – abseits der dauergrünen Bäume und Wiesen – der erste echte bunte Farbtupfer des Jahres. Die Knospen waren schon in der vergangenen Woche zu sehen. Dann kommt auch langsam der Knöterich, der Teile des Gartens zu einem Urwald macht. Ebenso die Farne, die hüfthoch in den Beeten stehen werden. „Unser Garten hat eigentlich immer irgendwelche jahreszeitlichen Highlights“, sagt Gesine Jochems, „aber die wenigsten Pflanzen blühen gleichzeitig.“ Das Ehepaar arbeitet an der Gestaltung, so oft es Zeit dafür hat. „Es ist unser Lebenswerk, und es kommen noch viele Elemente hinzu“, erzählt die 49-Jährige, die aus Nordrhein-Westfalen stammt. „Wir packen all unser Geld hier in den Garten rein.“ Jedes Wochenende öffnen sie ihr Areal für das Publikum. Bislang hat das Paar keine größere Werbung für den Hof gemacht, dennoch kommen bis zu 1000 Gäste jährlich ins Dorf. Meist aus dem direkten Umland, aber auch aus Kyritz, Rathenow, Potsdam und Berlin. „Wir brauchen den Besuch, damit wir mal aufhören zu ackern“, sagt Gesine Jochems und lacht. „Wir gehen immer mehr ins Detail und benötigen hin und wieder eine Kraft, die sagt: Stopp!“ Inzwischen haben sie einen Angestellten, der bei der Gartenpflege mithilft. „Wir schaffen es nicht mehr allein.“ Um ihre Firma müssen sich die Jochems schließlich auch noch kümmern. Die Gelder, die der Eintrittspreis einbringt, gehen für die Pflege drauf, die neuen Bauschritte bezahlen die Eheleute aus der eigenen Tasche, Fördermittel gibt es nicht.

Die Japaner selbst haben übrigens nie so große Gärten. „300 bis 400 Quadratmeter wären da schon groß“, sagt Gesine Jochems. „Das, was wir hier haben, wäre schon ein kaiserlicher Park.“ Der Kaiser jedenfalls hätte in Bartschendorf seine Freude.


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