Systemsprenger

Dieser Film lässt einen nicht kalt. Er wühlt auf, und er macht hilflos. Weil man einfach keinen Ausweg weiß. Vielleicht weil es ihn erst mal nicht gibt.

Wohin mit Benni (Helena Zengel)? Das neunjährige Mädchen war schon in diversen Pflegefamilien und Wohngruppen. Überall schickte man sie wieder weg. Sie ist lieb, sie kann lieb sein. Aber sie kann auch ausrasten. Schlimm ausrasten. Dann ist sie nicht zu bändigen. Wenn etwas nicht so läuft, wie sie es will. Wenn man ihr ins Gesicht fasst. Wenn sie zurückgewiesen wird.
Dabei will sie nur eines: zu Mama (Lisa Hagmeister). Doch zu ihr kann sie nicht. Das Jugendamt hat sie ihr weggenommen, und sie kommt auch nicht mit dem hochexplosiven Mädchen klar. Sie hat Angst vor ihrem Kind. Sie ist überfordert. Und offenbar ist Benni dort auch Böses getan worden.
Nur Frau Bafané (Gabriela Maria Schmeide), die Mitarbeiterin des Jugendamtes, kommt an das Kind heran, und auch der Betreuer Micha (Albrecht Schuch) schafft es, Zugang zu Benni zu bekommen. Er nimmt sie drei Wochen mit in den Wald. Raus kommen. Runter kommen.
Aber reicht das? Und was soll aus dem Mädchen werden?

Benni ist ein „Systemsprenger“. Ein Mädchen, das durch das Betreuungssystem fällt, weil niemand sie betreuen kann. Weil sie niemand bändigen kann.
Der Film war einer der Höhepunkte bei der 69. Berlinale 2019, und nun soll er als deutscher Oscar-Kandidat ins Rennen gehen. Vollkommen zurecht, denn dieser Film ist ein Ereignis, so schwer erträglich die Handlung auch ist.
Denn es tut weh zu sehen, was das Mädchen durchmacht. Aber auch, was die Erwachsenen durchmachen, weil scheinbar keine Maßnahme etwas bringt. Alle leiden sie. Benni und auch die, denen das Mädchen am Herzen liegt. Immer wieder gibt es Rückschläge.
Mit unfassbarer Wucht spielt Helena Zengel das neunjährige Mädchen. Diese Wut, diese harten körperlichen und psychischen Attacken werden von ihr auf eine erschütternde Art gespielt. Auch Albrecht Schuch spielt großartig – einen Mann, der entsetzt ist, als er das Mädchen erstmals sieht. Der etwas tun will und auch immer wieder Rückschläge erleidet. Gabriela Maria Schmeide, die Jugendamtfrau, die die Hoffnung nie aufgibt, bis auch sie irgendwann regelrecht zusammenbricht. Lisa Hagmeister, die Mutter, so voller Liebe und voller Angst und voller Verzweiflung. Bis in die Nebenrollen ist „Systemsprenger“ hervorragend besetzt.

-> Trailer auf Youtube

Systemsprenger
D 2018, Regie: Nora Fingscheidt
Port au Prince Films, 118 Minuten, ab 12
10/10


Beitrag veröffentlicht

in

von

Schlagwörter:

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert