Gundermann

Der Name Gundermann war mir bekannt. Seine Musik nicht. Vermutlich bin ich dafür tatsächlich noch zu jung. Als die Wende kam, war ich 11, und mit Ostmusik habe ich mich damals kaumbeschäftigt, und auf den vielen Ost-Musik-Samplern, die es seitdem immer wieder gibt, spielt Gundermann keine Rolle.
Jetzt weiß ich: schade. Denn Gerhard Gundermann war ein Großer.
Dass ich das nun weiß, das habe ich Regisseur Andreas Dresen und Hauptdarsteller Alexander Scheer zu verdanken.

Gerhard „Gundi“ Gundermann war eigentlich Baggerfahrer. Aber was heißt eigentlich? Er war es durch und durch, im Lausitzer Tagebau. Tag für Tag. Absolut pflichtbewusst.
Gundermann war aber auch Musiker, Sänger. Er schrieb Lieder, die sein Leben beschrieben, das Leben der Menschen in der DDR und später in Ostdeutschland. Als er bekannter wurde und größere Auftritte hatte, fuhr er danach noch arbeiten. Zur Schicht. Er wollte immer wirtschaftlich unabhängig bleiben in seinem Musikschaffen.
Und er glaube an den Sozialismus. Er hatte aber auch den Standpunkt, dass man alles offen sagen können muss. Dass man Dinge verbessert, in dem man sagt, was schlecht läuft. Der SED passt das nicht, sie schließt ihn aus.
Nach der Wende aber kommt raus: Gundermann war bei der Stasi, jahrelang. Seine Täterakte ist lang. Er beschließt: Er muss es öffentlich machen.

„Gundermann“ ist ein extrem faszinierendes und spannendes Biopic. Wer diesen Mann – wie ich – nicht kennt, wird in eine extrem interessante Biografie abtauchen können. Denn in diesem Film wird der Osten nicht schwarz-weiß dargestellt. Hier geht es um einen Mann, der einen guten Sozialismus wollte, einen ehrlichen. Um einen Mann, der bei der Stasi war, der später selbst über das Ausmaßes des eigenen Verrats erschrocken war. Und es geht um ein System, das scheinbar nicht wollte, dass man Dinge verbessern kann, in dem man aber auch Wahrheiten anspricht. Um ein System, das niemandem vertraute.
Alexander Scheer spielt nicht Gundermann, er ist es. Einen guten Schauspieler erkennt man daran, dass man als zuschauer nie darüber nachdenkt, dass da gerade jemand was spielt. Scheer taucht komplett in die Rolle ein – fantastisch! Aber auch die vielen Nebenrolle sind extrem gut dargestellt.
Auch die Musik von Gundermann findet viel Platz in diesem Film – ebenfalls interpretiert von Alexander Scheer. Es sind mitunter großartige Lieder, die so noch mal einem neuen Publikum dargeboten werden.

Danach wird man sicherlich im Internet nach Gundermann suchen – und ihn finden. Und nachlesen. Er hat beispielsweise den Text von „Verlorene Kinder“ von Silly geschrieben. War mir so nicht bewusst. Einer der schönsten Osthits.

Gundermann
D 2018, Regie: Andreas Dresen
Pandora, 127 Minuten, ab 0
9/10


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