Aufbruch ins Ungewisse

MI 14.02.2018 | 20.15 Uhr | Das Erste

Die Öffentlich-Rechtlichen stehen unter Beschuss. Die Rechten wollen die Fernsehgebühren abschaffen und ARD und ZDF vermutlich am liebsten gleich mit. Deren Anhänger sprechen von der Lügenpresse, von Staatsmedien, von Propaganda.
Damit haben sie unrecht, aber leider geben ihnen ARD und ZDF immer wieder leichtfertig Futter – wie auch am Mittwochabend.

Eigentlich ist der Film gut gemeint. In „Aufbruch ins Ungewisse“, am Mittwochabend im Ersten, geht es um Flüchtlinge. Aber anders: Deutsche müssen in Richtung Afrika flüchten. Dort erleben sie, was uns von hier bekannt vorkommt. Sie haben es mit Schleppern zu tun. Sie sind mit Schlauchbooten unterwegs. Sie landen in Namibia, wollen aber nach Südafrika – was aber aus Asylrechtsgründen nicht geht. Es gibt Frust und Angst.
Das Gedankenspiel kann man durchaus machen – wenn es allerdings auch keine neuen Erkenntnisse bringt, sondern einzig und allein auf den Effekt setzt, dass es Deutsche sind, die flüchten müssen.

So gut der Gedanke ist, so schlecht und schlampig ist die Umsetzung. Warum die Schneiders flüchten müssen, wird nur kurz angerissen. Rechte haben die Macht in Deutschland. Die Pressefreiheit ist Geschichte, Andersdenkende kommen in den Knast. Ein paar wenige Minuten gibt sich der Film dafür.
Abgesehen davon, dass die wenige Zeit nicht ausreicht, um irgendeinen emotionalen Impuls gegenüber der Familie zu bekommen – man hätte schon mal etwas ausführlicher zeigen können, was in dieser Vision in Deutschland eigentlich Sache ist. Zumal es letztlich sich die Filmemacher schrecklich einfach machen. Die Rechten sind böse, und Punkt. Andersdenkende müssen raus, sie flüchten.
Das ist zu kurz gedacht. Es hätte ausführlicher auf die Lage im Land eingegangen werden müssen.
Später heißt es, sie wollen mit dem Schiff von Hamburg aus losfahren. In der nächsten Einstellung sitzen sie im Schlauchboot. Wieso? Was ist vorher passiert? Da spart der Film eine Handlung aus, die aber wichtig ist, erzählt zu werden.

Aber die wichtigste Frage ist: An wen richtet sich dieser Film? Wer hierzulande über Flüchtlinge hetzt, wird „Aufbruch ins Ungewisse“ erst recht wiederum als Hetze empfinden. Weil dieser Film anfangs einfach nur dumpf nach rechts nachtritt. Wer Anhänger einer rechten Partei ist, den wird dieser Film nicht erreichen. Denn der wird sicherlich nicht andersdenkend sein und sich deshalb auch nicht – wie im Film gezeigt – auf eine Flucht begeben müssen. Und der wird in keinster Weise die Geschichte nachfühlen können, der wird sich darauf gar nicht erst einlassen.
Heißt also: Der Film richtet sich an die, die eine gewisse Empathie gegenüber den Flüchtlingen empfinden. Die also sowieso auf einer bestimmten Seite stehen. Also die, die von den Rechten als Gutmenschen betitelt werden. Die nun sagen: Gutmenschen machen einen Film für Gutmenschen.
Das kann nur nach hinten losgehen. Das kann nur dazu führen, dass die Rechten sich noch mehr provoziert führen, dass sie der Meinung sind, der Staatsfunk betreibe Propaganda.

Das ist wirklich schade, denn hier schwimmt jeder in seinem eigenen Saft, und jeder zeigt mit dem Finger auf den anderen. „Aufbruch ins Ungewisse“ sorgt leider nicht dafür, dass man miteinander ins Gespräch kommt. Er sorgt nicht für ein Wachrütteln, weil er einfach, gerade in der Ursachenforschung, zu viele Klischees bedient und einfach nur auf einen Effekt setzt.
Damit hat sich leider keiner einen großen Gefallen getan, und das ist extrem bedauerlich.


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Kommentare

4 Antworten zu „Aufbruch ins Ungewisse“

  1. ThomasS

    Der Film spielt ja in der Zukunft. Eigentlich hat nur eines gefehlt, nämlich ein erster Teil, der die Vorgeschichte erzählt: Wie es dazu gekommen ist, dass die Rechten in dieser alternativen Realität so populär wurden, dass sie letztlich an die Macht kamen. Wie bzw. warum sich die Protagonisten zunächst mit deren Zielen sogar identifiziert haben, dann aber immer mehr ins Zweifeln gerieten. Denn natürlich geht es der neuen Regierung – wie jedem totalitären Regime – in erster Linie um den Machterhalt. Es gibt Repressalien, Angst und Schrecken machen sich langsam breit, es gibt Gerüchte von Folterkellern. Die Protagonisten machen Erfahrungen, an deren Ende der Entschluss steht, in den Widerstand zu gehen. Ende des 1. Teils. Dann hätte der gezeigte Film vielleicht gut als Forsetzung funktioniert.

    Gut, auch diesen plot haben wir schon hundertmal gesehen … in Spielfilmen und Fernsehspielen, wo es um das Dritte Reich oder um die DDR geht. Aber ein Versuch wär’s wert gewesen.

    Was soll’s.
    Uns fragt eh keiner nach einem Drehbuch.
    Zumal wr keine Ahnung haben, wie man ein solches schreibt.
    Aber wenigstens können wir dafür im Nachhinein gut Klugscheißen. 😉

  2. ThomasS

    Man hätte den 2. Teil mit der Szene im Schlauchboot beginnen lassen und das „missing link“ in Rückblenden kurz abreißen können.

  3. RT

    Das wäre eine Möglichkeit gewesen, ja.
    Oder man hätte sich ja auch mal Gedanken machen können und ein ganz anderes Fluchtszenario überlegen können.

  4. […] Ersten war für Mittwoch ein Themenabend zum Film “Aufbruch ins Ungewisse” geben. Ein Abend zum Thema Flucht und Vertreibung – und vor allem über die Frage, ob es […]

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