MO 17.10.2016 | 20.15 Uhr | Das Erste
Nicht schuldig. Mit überwältigenden 87 Prozent haben sich die Deutschen am Montagabend entschieden. Es müssen sich so viele Menschen an der Abstimmung beteiligt haben, dass Telefonleitungen und Internetserver überlastet waren – und längst nicht alle mit abstimmen konnten.
Das Interesse also war groß. Kein Wunder, sorgte die ARD doch für einen extrem spannenden Fernsehabend.
Beängstigend: Ein Flugzeug mit 164 Leuten an Bord wird von Entführern gekapert. Es soll auf ein Fußballstadion stürzen, in dem sich 70.000 Menschen befinden. Ein Kampfflieger der Bundeswehr schießt das Flugzeug ab.
Ist er schuldig?
Der Film „Terror“ ist nichts anderes als eine abgefilmte Gerichtsverhandlung. Wie die Gerichtsshows bei RTL – nur edler und dass da niemand rumkeift, und dass es um wirklich wichtige Themen geht.
Der Film kam ohne Musik aus. Nur das gesprochene Wort. Fast 85 Minuten lang.
Langweilig? Nein, äußerst spannend! Denn es war hochinteressant, zu verfolgen, was der Pilot zu sagen hat. Wie ihn die Staatsanwältin grillt. Wie sich der Verteidiger aufregt. Wie sich eine Hinterbliebene positioniert.
Viele Gänsehautmomente.
Wir als Zuschauer mussten genau zuhören, denn wir waren es, die am Ende entscheiden sollten, ob der Pilot richtig gehandelt hat oder falsch.
Eine schwierige Entscheidung, eine sehr schwierige.
Kann man 164 Menschenleben mit 70.000 anderen abwiegen? Gilt nicht: Jeder Mensch hat eine Würde, die unantastbar ist? Kann man sich sicher sein, dass das Flugzeug wirklich ins Stadion gestürzt wäre? Hätte es nicht auch sein können, dass die Passagiere die Entführer überwältigen? Hätte das Flugzeug das Stadion nicht auch verfehlen können?
Und, als das ist thematisiert worden: Hätte nicht auch entschieden werden müssen, das Stadion zu räumen? Es wäre zeitlich möglich gewesen. Aber es wurde eben darauf spekuliert, dass der Pilot die Anweisungen, nicht zu schießen, ignoriert.
All das ist es, womit wir alle uns heute auseinandersetzen mussten. Es ging um das Gesetz, um Moral, um Sondersituationen.
Ich habe dafür gestimmt, dass der Pilot schuldig ist.
Ja, er hat vielleicht 70.000 Leute gerettet. Aber er hat 164 Menschen dafür geopfert. Und ließ dafür außer Acht, dass der Absturz und die Eventualitäten im Stadion eben nur das waren: Wahrscheinlichkeiten.
Dass das Ergebnis aber so eindeutig ausfiel, ist erstaunlich und zugleich beängstigend. Zeigt es doch auch, was mehr und mehr sowieso schon zu beobachten ist: Dass sich Menschen von Gefühlen leiten lassen, von Emotionen. Dass sie das, was sie für gesunden Menschenverstand halten, auch als einzig richtig erachten. Dass sie das, was moralisch vielleicht schwierig ist, nicht akzeptieren. Dass es uns die Gesetze und die vorhandenen Begebenheiten eben nicht immer einfach machen.
Und allein, dass „Terror“ diese Diskussionen, dieses Nachdenken darüber, möglich macht, macht diesen Film zu einem der großen TV-Ereignisse 2016.
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