Der Tag der Norddeutschen

SA 10.11.2012 | 6.00 Uhr | NDR fernsehen

Was haben wir über die Bewohner in Norddeutschland an diesem Wochenende gelernt? Sie gehen früh zu Bett, um 23.15 Uhr ist Ende Gelände. Nachtleben – Fehlanzeige.

Im September 2009 machten es der rbb und arte vor: „24h Berlin“ hieß eine tatsächlich 24 Stunden lange Echtzeitdoku über einen ganzen Tag in Berlin. Ein Projekt, das Maßstäbe setzte, bis heute unerreicht.
Beim NDR schien man daran anknüpfen zu wollen: „Der Tag der Norddeutschen“ wurde ins Leben gerufen. Am 11. Mai 2012 begleiteten Kamerateams insgesamt 121 Menschen in ihrem Alltag. Am Sonnabend zeigte der NDR das Ergebnis in einer gut 17-stündigen Doku.

Das Ergebnis war durchaus interessant, aber am Ende doch enttäuschend.
Grundsätzlich ist eine solche Eventdoku immer spannend, es macht Spaß dabei zu sein. Die Zuschauer lernten Bauern kennen, Musiker, Rentnergruppen, Schiffer, Segler, Journalisten und viele, viele mehr.
Was dem NDR aber überhaupt nicht gelungen ist: ein richtiges Konzept. Es fehlte die klare Linie, der rote Faden. Es scheien, als ob kurze Geschichten einfach zusammengefügt wurden. Leute kamen plötzlich ins Spiel und gingen wieder. Es fehlte ein kommentierender Sprecher, die Namen der Leute waren oft nicht zu entziffern, weil nur ihre handgeschriebenen, oft dahingekrakelten Unterschriften eingeblendet wurden. Der Schnitt war hektisch, Begebenheiten dauern manchmal nur Sekunden, bevor es an anderer Stelle schon weiterging.
Auch hat der NDR selbstverliebt lauter NDR-Promis in die Doku geschleust. Der Bingo-Mann, der Rentner unterhalten musste, der NDR-Radiomann beim Krabbenpuhlen, der NDR-Morgenmann beim Klavierklimpern, der NDR-Star Carlo von Tiedemann beim Moderieren.

Auch die Sache mit der Echtzeit haute leider nicht hin. Da gab es den Radler, der durch die Gegend fuhr, plötzlich beim Mittagessen saß und fix auch wieder fertig war. da gab es den Radiomann, der kurz hintereinander mehrere Musiktitel ansagte. Und eine Küche, in der die Uhr zugeklebt wurde. Ziemlich inkonsequent.

Was den NDR aber dazu bewogen hat, die Doku jede Stunde für fünf oder zehn Minuten zu unterbrechen, bleibt ein Rätsel. In der Zeit meldete sich NDR-Moderator Hinnerk Baumgarten jeweils live aus dem Studio, um zu sagen, wie toll doch diese Doku ist und dass es ja ganz erstaunlich sei, wie viel denn wirklich parallel in Norddeutschland passiere. Da werde im Stall gearbeitet und anderswo ein Rücken tätowiert. Ja, Wahnsinn! Baumgarten schien ganz besoffen von der Idee gewesen zu sein, dass in einem Land durchaus mehrere Dinge gleichzeitig geschehen.

Mit dem „Tag der Norddeutschen“ hatte der NDR eine schöne, wenn auch nicht neue Idee. Sie sollte 2013 unbedingt auch wieder aufgegriffen werden. An der Umsetzung sollte dann aber noch mal gearbeitet werden. Denn die vom NDR herausgegebene Parole vom „Medienevent des Jahres“ war dann doch ein bisschen hochgegriffen.


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