Johann Sebastian Bach: Matthäus-Passion BWV 244

FR 06.04.2012 | 0.00 Uhr (Sa.) | MDR-Fernsehen

Okay, es war Karfreitag. Und, okay, das Konzert fand in einer Kirche statt. Dennoch: Diese Szene war sehr seltsam.
Am Karfreitagabend gaben die Thomaner in der Leipziger Thomaskirche ein Konzert. Das MDR-Fernsehen übertrug die Aufführung von Johann Sebastian Bachs „Matthäus-Passion BWV 244“. Als nach fast drei Stunden der letzte Ton erklang, war einfach Schluss. Thomaskantor Georg Christoph Biller nickte seinen Akteuren noch einmal zu, das Publikum erhob sich von den Plätzen. Kein Applaus, nichts.
Das liegt ganz sicher daran, dass der Karfreitag in der Kirche ein Gedenktag ist, und man deshalb nicht applaudiert. Es mutete trotzdem beremdlich an, dass die Künstler keine Wertschätzung bekamen, für das, was sie in drei Stunden geleistet haben. Aber sie werden es aus den genannten Gründen nicht anders erwartet haben.

Schade ist, dass das MDR-Fernsehen dieses wunderbare Konzert erst nach Mitternacht ausstrahlte. Natürlich, Klassik ist nicht massenkompatibel, aber am Karfreitag, und dann noch Ehren des 800. Jubiläums des Thomanerchores (gerade lief die Doku über „Die Thomaner“ im Kino), hätte der MDR ausnahmsweise mal einen Primetime-Sendeplatz springen lassen können – oder wenigstens einen nach 22 Uhr. Immerhin war es nach MDR-Angaben „ein Höhepunkt des MDR-Programms zu Ostern“. Aber, lieber MDR, sendet man Höhepunkte im Nachtprogramm?


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Kommentare

8 Antworten zu „Johann Sebastian Bach: Matthäus-Passion BWV 244“

  1. ThomasS

    Lieber Zapper,

    so kundig und verständig du dich sonst über das Programm äußerst … aber ich befürchte, in einem Punkt bist du nicht ganz auf dem Laufenden. Nach einer kirchlichen Darbietung wird NIEMALS applaudiert. Wer sich dennoch dazu hinreißen lässt, outet sich damit als Kulturbanause. Dass die Zuschauer sich nach dem Schlusstakt geschlossen von ihren Plätzen erheben, ersetzt quasi die lautstarke Beifallsbekundung. Sie spenden ozusagen standing Ovations ohne ovations.

    In anderer Hinsicht muss ich dir zustimmen. Ein großes Werk der Musikgeschichte wie die Mathäus-Passion hätte es wahrlich verdient, zur Primetime ausgestrahlt zu werden, und sei es auch nur in einem 3. Programm der ARD oder einem der digitalen Sonderkanäle, die dem ZDF m.E. quasi die „Dritten“ ersetzen.Die öffentlich-rechtlichen Hauptsender fühlen sich da jedenfalls schon seit rund 40 Jahren nicht mehr zuständig.

    Leider hatte ich niemals Gelegenheit, mir die Matthäus-Pasion in voller Länge anzuhören. Ich kenne lediglich den Schlusschor, der allerdings ein echter Ohrwurm ist. Jeder, der auch nur halbwegs musikalisch ist, wird das bestätigen können.

    Aber jeder möge sich selbst überzeugen:

    http://www.youtube.com/watch?v=-miQ6_FTtN0

    Man beachte die Stille am Schluss. 🙂

  2. RT

    Der erste Satz sagt dir ja eigentlich, dass ich das mit der Kirche und dem Applaus weiß.
    Ich finde es aber nicht gut, es ist nicht mehr zeitgemäß, finde ich. Ich bin der Meinung, dass auch in Kirchen geklatscht werden sollte (Karfreitag stellt natürlich eine Besonderheit dar). Die Christen finden, dass die Kirche kein Ort für Applaus ist, ich denke da anders.

  3. ThomasS

    Ich weiß nicht so recht … warum müssen Beifall und Wertschätzung denn immer lautstark ausfallen.

  4. RT

    Einfach aufzustehen, ist für mich keine Wertschätzung.
    Selbst Taubstumme applaudieren – geräuschlos mit ihren Händen.

  5. ThomasS

    Ich habe die Sendung nicht gesehen.
    Sind denn die Zuschauer aufgestanden, um sich zum Gehen zu rüsten, oder sind sie vor ihren Sitzen stehen geblieben?
    Im letzteren Fall wäre es m.E. doch ein Zeichen der Wertschätzung. Besonders wenn man die Konvention berücksichtigt, dass in der Kirche eben nicht applaudiert wird.
    Wie du schon schreibst, haben die Künstler deshalb wohl auch keinen Applaus erwartet.
    Ich muss da immer an die Schlusszene vom „Club der toten Dichter“ denken. Da vollzieht sich die Wertschätzung ja auch geräuschlos.

    Wenn du sehr mutig bist und es darauf anlegst, mit der Tradition zu brechen, kannst du dich ja mal in ein solches Kirchenkonzert setzen und am Ende anfangen zu applaudieren. Vielleicht hast du sogar Glück und andere Zuschauer lassen sich anstecken, so dass am Ende alle am Beifallklatschen sind. 🙂 Denn dass das Publikum die Darbietung honorieren wollte, denke ich schon. Andererseits kann es auch sein, dass du allein auf weiter Flur bleibst und nur böse Blicke ernstest.

  6. RT

    Ich habe schon einige Konzerte in Kirchen erlebt, bei denen geklatscht wurde.
    Und was das Leipziger Konzert im MDR angeht: Die Leute sind aufgestanden und dann gegangen, einige schienen irritiert.

  7. ThomasS

    Gut, dann hatte ich die Sache mit dem Aufstehen falsch verstanden. Sorry!
    Nein, einfach aufstehen und abhauen wie im Kino finde ich auch daneben. Immerhin wurde ja etwas geboten.

  8. RT

    Gerade noch mal auf arte gesehen. Dirigent Biller hat den letzten Ton verklingen lassen, er verharrte, nahm die Hände runter, und die ersten Leute standen auf.
    Ich finds seltsam, nach wie vor.

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