In der AGA (4): Havelberg

Nach vier Tagen haben wir nun endlich die Gelegenheit, uns die Stadt anzugucken, die nun unser „militärisches Zuhause“ ist: Havelberg. Gegen Fünf hatten wir Dienstschluss und nachdem Patrick und ich nach Hause telefoniert haben, beschlossen wir, irgendwo was Essen zu gehen.
Havelberg ist eine Kleinstadt in der Altmark, im Norden von Sachsen-Anhalt. Östlich des Ortes liegt, nur wenige Kilometer entfernt, die Landesgrenze zu Brandenburg. Einen größeren Ort in der direkten Nähe gibt es nicht; Neustadt/Dosse, Kyritz und Bad Wilsnack sind aber in nicht allzu langer Zeit erreichbar. Zu DDR-Zeiten war Havelberg eine Kreisstadt im Bezirk Magdeburg, heute liegt sie im Landkreis Stendal. Nicht weit außerhalb der Stadt mündet die Havel in die Elbe. Der Stadtkern von Havelberg ist gewissermaßen eine Insel, die nur über mehrere Brücken zu erreichen ist. So ist dieser Kern sehr konzentriert: kleine, enge Gassen aus Kopfsteinpflaster, viele Geschäfte und eine Kirche. Auf dem Marktplatz befinden sich neben dem Rathaus einige kleine Gaststätten. Vor noch nicht allzu langer Zeit feierten die 7400 Einwohner den 1000. Geburtstag von Havelberg.
Einmal im Jahr findet auf einer großen Wiese, ein wenig außerhalb, der Pferdemarkt statt. Immer am ersten Wochenende im September wird ein großer Rummel aufgebaut, mit Karussells, Schaukeln, Schieß- und Fressbuden. Nebenan findet eine kleine Pferdeschau statt, bei der die entsprechenden Tierfreunde sich so ein Tierchen zulegen können.
Als Patrick und ich über diesen Rummel laufen, festigte sich unser Entschluss, mit seinen Eltern morgen hierher zu fahren.

Dann fuhren wir zu einer kleinen Pizzeria. Während Patrick an seiner „Hawaii“ arbeitete, aß ich ein Schnitzel mit Pommes. Das ist mal was anderes, als dieses ewige Kantinenessen aus der Bundeswehr-Küche. Aber vor allem: Wir haben Zeit! Genug Zeit, um diese leckeren Sachen in aller Ruhe zu essen. Niemand, der uns vorher eingebläut hat, dass wir nur 15 Minuten Zeit hätten, bis wir zurück auf den Stuben sein müssten. Daran muss man sich erst mal wieder gewöhnen. Wir müssen uns regelrecht beherrschen, dass wir nicht so schlingen wie sonst. Nachdem die Teller wieder abgeräumt wurden, komme ich auch endlich wieder dazu, eine Zeitung zu lesen, denn dazu hat man absolut keine Zeit. Während des Dienstes sowieso nicht, und wenn es gegen 20.30 Uhr eine halbstündige Dienstunterbrechung gibt, hat man dann auch nicht so richtig den Mumm, um ins Mannschaftsheim zu gehen und sich ein solches Mitteilungsblatt anzueignen. So erfahre ich auch erst heute, dass unser aller Bundes-Berti seinen Job hingeschmissen hat…

Sonnabend, 5.02 Uhr, Treffpunkt Waschraum. Während ich mir die Zähne putze, überlege ich mir, was ich jetzt machen würde, wenn ich zu Hause wäre. Allerhöchstwahrscheinlich würde ich jetzt tief und fest schlafen, wie es bestimmt der allerallergrößte Teil der Bevölkerung an einem Sonnabendmorgen um 5.07 Uhr tun würde. Ja, es ist Sonnabend, Wochenende. Und wir haben Dienst. Zwar nur bis 16.30 Uhr, aber immerhin. Aber morgen Mittag – da sind wir ganz schnell auf dem Weg in die Heimat. Morgen fahren wir, wenn auch nur für ein paar Stunden, nach Hause. Wenn doch nur bald Sonntag wäre…

Neben dem Formaldienst, bei dem wir weiter das Marschieren und das „Rechts – um“, „Links – um“ und „Kehrt!“ erlernen, haben wir noch einige hochspannende Unterrichte zu überstehen.
S. sieht so aus, als ob er gestern auf dem Pferdemarkt ganz schön einen gehoben hat. In seinen Augen und an seiner Stimme hat dies deutliche Spuren hinterlassen. Aber da wir jungen Menschen in diesem kleinen, verdreckten U-(Unterrichts)Raum nicht dumm sterben sollen, bringt uns unser Zugführer netterweise noch bei, welche Sicherheitsbestimmungen beim Schießen eingehalten werden müssen und dass es beim Rumballern viele wichtigen Abkürzungen und Symbole gibt.

Des Weiteren teilt man uns freundlicherweise auch noch mit, dass wir als Soldaten auch Rechte haben. Man soll es kaum glauben, aber es ist tatsächlich so. Dafür gibt es zum Beispiel auch den Bundeswehrverband. Mit wenig Geld kann man dessen Mitglied werden. So soll das Leben beim Bund erträglicher werden. So irgendwie in der Richtung. Weiß ich auch nicht mehr so genau. Bin zwischendurch ein wenig eingenickt.

Der Kompaniechef persönlich macht mit uns die Politische Bildung. Und aus diesem Unterricht habe ich eine wichtige Schlussfolgerung gezogen. Nicht meine PB-Lehrerin war Schuld an der Langeweile, sondern das Fach an sich. Oder der Hauptmann hat auch keine Ahnung vom Unterrichten. Aber ich glaube, ich würde ihm das so nicht ins Gesicht sagen…


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