Was wäre, wenn im Herbst 1989 die Sowjetunion und die DDR-Führung anders auf die Montagsdemos reagiert hätten?
Der Autor Hans-Jürgen Rusch versucht sich an einem solchen Szenario, das aber längst nicht so aufregend daher kommt, wie es auf dem Buchcover in der Beschreibung impliziert wird.
Erst gab Demo und Fluchtwellen im Herbst 1989. Aber die SED scheint wieder zu erstarken. Die Parteileute wollen an der Macht bleiben. Es scheint, als würde es einen Machtkampf geben: die harten Kommunisten, die am liebsten nichts ändern wollen, und die, die es künftig „softer“ möchten.
So gerät Katja Kessler ins Visier der Polizei, weil sie am Bahnhof dabei war, als die Flüchtlinge aus Prag durch die DDR gefahren wurden. Sie wollte das Ganze beobachten. Später reist sie nach Leipzig, dort wurde gerade die Montagsdemo abgesagt, zu der sie wollte. Diese beiden Ausflüge, machen sie verdächtig. Aber ein Freund gibt ihr nicht nur Schutz, sondern auch den Auftrag, nach dem Testament eines toten Operettensängers zu suchen – es scheint, als ob der Mann nicht einfach so gestorben ist.
So ganz traut sich Hans-Jürgen Rusch dann doch nicht, die deutsche Geschichte umzuschreiben. Es sind nur wenige Wochen, in denen sich alles anders entwickelt, bevor die Rolle rückwärts kommt, wenn auch unter anderen Vorzeichen. Das ist enttäuschend, weil ein anderer Eindruck gemacht wird. Auch der Titel, „Die Erben der Wende“ passt inhaltlich eigentlich nicht so ganz, weil die Story ja genau genommen vor der wirklichen Wende spielt. Auf dem Cover sieht man den Palast der Republik und den Fernsehturm, aber eigentlich spielt der Roman hauptsächlich in und um Stralsund.
Aber es ist dennoch ein anderer Herbst 1989, der uns hier beschrieben wird. Nur dass die Sozialisten cleverer vorgehen – so wird eine Blockade des Rügendamms in Stralsund nicht aufgelöst, um die Blockierer zu zermürben. Auch erleben wir, dass die Medien scheinbar mehr Möglichkeiten haben als vor dem Wendeherbst.
Ansonsten aber geht es um eine mögliche Mordserie und Erbschleichereien. Das ist durchaus interessant – was dem Roman aber fehlt, ist ein wirklich spannender Showdown. Normalerweise spitzt sich ein Krimi irgendwann zu. Auch hier gibt es kurze, aufregende Momente auf der Ostsee vor Rügen, aber an sich liest sich die Auflösung danach eher mau.
Hans-Jürgen Rusch: Die Erben der Wende
Gmeiner, 315 Seiten
5/10
Schreibe einen Kommentar