DO 10.10.2024 | 20.15 Uhr | mdr-Fernsehen
Warum ist Ostdeutschland so, wie es ist? Und wie blickt eigentlich der Westen Deutschlands auf den Osten? Und hat dieser Blick aus dem Westen etwas damit zu tun, dass der Frust in Ostdeutschland so groß ist?
Damit hat sich am Donnerstagabend eine sehr spannende Doku im mdr-Fernsehen befasst: „Es ist kompliziert… – Der Osten in den Medien“.
Alles fing mit dem Mauerfall und der Wende im Osten an. Innerhalb von nicht mal elf Monaten nach dem Mauerfall wurde die DDR an die Bundesrepublik angeschlossen. Dass es keine Vereinigung war, ist aus heutiger Sicht unstrittig. Auch, dass in diesem Zuge die DDR regelrecht ausgelöscht wurde.
Die Doku zeigt, dass es damals nicht darum gegangen ist, zu schauen, wie man die zwei Staaten (wieder) zusammenbringt. Stattdessen hat man den Westen über den Osten gestülpt. Exemplarisch zeigte die Doku das an der Neuordnung der Medien.
1990/91 wurden durch die Treuhand alle DDR-Bezirkszeitungen verkauft – und allesamt gingen sie an Firmen aus dem Westen Deutschlands. Ostdeutsche Interessen haben keine wirkliche Rolle gespielt, vermutlich hätten Bietende aus dem Osten wenig Chancen gehabt, wenn es sie denn wirklich gegeben hätte.
Westverlage bestimmten also nun, was im Osten publiziert wurde.
Das allerdings ist dann doch nicht so einfach, wie es sich die Doku macht. Denn natürlich arbeiteten bei den vielen Zeitungen ja auch und immer noch Journalisten aus dem Osten. In den Lokalredaktionen saßen überwiegend Ostdeutsche, Leute aus der Region. Selbst wenn sie West-Chefs hatten, waren diese Zeitungen nicht komplett westlich geprägt. Das muss man also differenzierter betrachten, als es die Doku machte.
Beim Fernsehen und Radio hatte der DFF als ostdeutscher Sender keine Chance. Er durfte nicht auf Sendung bleiben. Stattdessen wurde Anfang 1992 das westdeutsche Rundfunksystem in den Osten gebracht. Die Landesrundfunkanstalten kamen, und Mecklenburg-Vorpommern bekam nicht mal einen eigenen neuen Sender, dort funkte nun der NDR aus dem Westen gleich mit.
Im Radio kämpften viele ostdeutsche Jugendliche um eine Weiterführung des Jugendradios DT 64. Ohne Erfolg. Es passte nicht ins westliche Konzept, und es passte nicht dazu, alle DDR-Sender auszulöschen. Viel Identität ging dabei verloren – im Grunde eine ganze Kultur, von der in der bundesrepublikanischen Medienlandschaft nicht allzu viel übrig blieb.
Dabei hat es ab 1992 vermutlich noch der mdr am besten geschafft, die ostdeutsche Realität und Mentalität zu spiegeln. Natürlich hat man das im Westen ebenfalls belächelt, wie ostig und DDRig der mdr immer war und ist. Auch wenn die Chefs auch beim mdr erst mal aus dem Westen kamen. Weil die Ossis ja keinen Plan hatten, oder so.
Der Westen hatte mit dem „Tag der deutschen Einheit“ nicht wirklich was zu tun – für den Westen änderte sich am 3. Oktober 1990 schlicht nichts. In Ostdeutschland so ziemlich alles und in fast jeder Lebenslage. Der Westen moserte später, dass ein Soli-Zuschlag gezahlt werden musste, allerdings nicht nur vom Westen. Aber sonst blieb die westdeutsche Realität, wie sie war.
Ging es später im Fernsehen um deutsche Geschichte, ging es in Wirklichkeit ausschließlich um westdeutsche Geschichte. Was im Gebiet der DDR bis 1989 los war – es wusste im Westen keiner. Es interessierte scheinbar auch keinen. Fast alles, was DDR war, war erst mal ausgelöscht.
Während sich die Leute in der DDR mit allem, was in der Bundesrepublik los war, gut auskannten, wussten die Westdeutschen über den Osten extrem wenig oder gar nichts.
Auf den Osten wurde überwiegend hämisch geschaut. Die blöden Ossis. Die dummen Sachsen. Zonen-Gabi mit der Banane. Und so weiter. Und dann noch die Nazis in Rostock und anderswo. Was ist da nur los, im Osten?
So schaute der Westen auf den Osten. Ab und zu traute man sich mal „rüber“, um eine Vor-Ort-Reportage zu bringen. Um dann doch nur Klischees zu zeigen.
Die Doku zeigte zwei krasse Fälle. Einmal über eine angeblich viel zu große Kläranlage, die für Steuerverschwendung im Osten stehen sollte. Und über einen Naziüberfall in einem Schwimmbad – der gar keiner war.
In beiden Fällen aber stürzten sich die Medien drauf – um über den bösen Osten zu berichten.
Und auch ab 2015 schaute der Westen gern auf den Osten runter, wenn es um Pegida ging, um das Erstarken der rechtsextremen Ränder. Und immer diese Reportagen, wo man mal vor Ort schauen wollte, warum die Leute dort so sind, wie sie sind.
Es ist immer ein wenig Herablassung dabei, wenn aus westdeutscher Sicht auf den Osten geschaut wird.
Aber ganz so einfach ist es dann aber auch nicht. Die Doku beschäftigt sich auch mit Pegida und der AfD. Es wird kritisch angemerkt, dass Reporter immer wieder eindimensional über diese Demos berichtet hätten. Dass alle Leute über einen Kamm geschert worden seien. Und man habe den Osten so immer nur im schlechten Licht gezeigt.
Das allerdings – und ich bin auch Ossi – sehe ich dann doch anders. Die Frage muss schon erlaubt sein, warum ein Drittel der Ossis den Rechtsextremen hinterherlaufen und sie auch gut finden.
Wenn bei einer Pegida-Demo vorn jemand rassistische und rechtsextreme Parolen ins Mikro spricht – warum geht man zu einer solchen Demo und findet offenbar nichts schlechtes dabei? Das darf man schon hinterfragen, egal ob Ossi, Wessi oder sonstwer.
Immerhin gab es mal Zeiten, in der gewisse faschistische Parolen schlicht tabu waren – das sind sie immer öfter im Osten (natürlich auch im Westen) nicht mehr. Wer Höcke zujubelt, ist kein Mensch in der Mitte. Wer faschistische Parolen gut findet, ist Faschist.
Das sind Fragen, mit dem sich die Leute hier im Osten einfach mal auseinandersetzen müssen. Viele wollen das nicht mal mehr.
Dass also Reporter dem auf den Grund gehen – egal, ob aus West oder Ost – ist vollkommen logisch. Wenn 30 Prozent der Ossis so extrem stark nach rechts rücken, muss man sich damit auseinandersetzen.
Insofern erzählt die mdr-Doku viel Richtiges. Aber bei der politischen Dimension, nimmt sie die (uns) Ossis dann doch viel zu sehr in Schutz. Denn es gibt keinen Grund, Faschisten zu wählen. Niemals.
PS: Diese Doku hätte dringend im Ersten laufen müssen. Es bringt nichts, eine Ost-West-Auseinandersetzung lineal nur auf einem „Ost-Sender“ auszustrahlen.
-> Die Doku in der ARD-Mediathek (bis 3. Oktober 2025)
Schreibe einen Kommentar