Tobias Jäger: Tim

Das muss man schon mal vorweg schicken: Dieser Roman ist in gewisser Hinsicht ein Märchen. Alles ist gut, alles ist positiv, es schweben praktisch keine Wolken am Himmel, alle haben sich wahnsinnig lieb.
Irgendwie ist das unglaubwürdig. Aber irgendwie ist das auch Literatur, die in einer Zeit, in der alles düster wird, eine gute Zerstreuung bietet.

Charlie ist 20, und den Sommer nutzt er, um im Camp White Elk Jugendliche in ihren Sommerferien zu betreuen. Gerade kommt wieder eine ganze Gruppe an, und es wird eine besondere Gruppe sein.
Nicht nur, weil Tim (14) von Anfang an beschlossen hat, dass er und Charlie zusammengehören – ein Leben lang. Auch weil die Gruppe an sich schnell zueinander findet. Da gibt es den Außenseiter Hal, der von den Jungs schnell integriert wird und zu einem aufgeschlossenen Menschen machen, und überhaupt hält die Gruppe sehr zusammen.
Charlie ist unterdessen verunsichert. Er ist 20, Tim ist 14 – das kann nicht und darf auch nicht zu einer festen Sache werden.
Er beschließt eine Regel: Sie sehen sich in 40 Monaten wieder – dann wird Tim 18. Bis dahin schreiben sie sich einmal pro Monat einen Brief.

Ja, es ist ein Märchen. Denn überall treffen Charlie und Tim auf liebevolle, verständnisvolle Menschen. Diese Liebe, die unglaubliche Herzlichkeit, Zugewandtheit unter all diesen Menschen ist das absolute Ideal.
Aber manchmal schüttelt man doch den Kopf: Dass Tim seinen Eltern alles, wirklich alles, erzählt, dass quasi keine Intimität herrscht, wirkt manchmal befremdlich. Auch die Art, wie Tims Familie Charlie von Anfang an aufnimmt – ideal, aber schon eine Art Leuchtturm.
In diesem Roman werden die Ereignisse von drei Jahren erzählt – das ist manchmal tiefschürfend, aber gerade zum Ende hin ein bisschen oberflächlich. So, als ob der Autor selbst ein wenig die Geduld verliert. Andererseits wiederholt Tobias Jäger in seiner Geschichte einige Teile mehrfach, zum Beispiel, wenn Charlie anderen über die Beziehung zu Tim erzählt (und alle natürlich voll verständnis- und liebevoll sind).
„Tim“ ist wahnsinnig (im positiven und im negativen) idealistisch, manchmal sehr seifig und kitschig. Aber man bleibt dran, und am Ende zählt nur das.
Zwei weitere Teile des Romans folgen noch.

Tobias Jäger: Tim
Independently published, 297 Seiten
7/10


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