Einigkeit und Recht und Vielfalt – Die Nationalmannschaft zwischen Rassismus und Identifikation

MI 05.06.2024 | 21.30 Uhr | Das Erste

Darf man das? Darf man so eine Frage stellen? Darf man eine Frage stellen, dessen Antwort mir eventuell nicht gefällt? Eine Antwort, die ich sicherlich schockierend finde?

Der WDR gab eine Umfrage in Auftrag. Darin ging es um die Mitglieder der Fußball-Nationalmannschaft.
Das ist die Umfrage im Wortlaut:
Im Juni beginnt in Deutschland die Fußball-Europameisterschaft der Männer. Geben Sie bitte an, ob Sie der folgenden Aussagen zur deutschen Fußball- Nationalmannschaft voll und ganz zustimmen, eher zustimmen, eher nicht zustimmen oder überhaupt nicht zustimmen.
o Ich fände es besser, wenn wieder mehr weiße Spieler in der deutschen Nationalmannschaft spielen.
o Ich finde es gut, dass in der deutschen Mannschaft mittlerweile viele Fußballer spielen, die einen Migrationshintergrund haben.
o Ich finde es schade, dass der derzeitige Kapitän der deutschen Nationalmannschaft türkische Wurzeln hat.

Die Empörung ist groß. Nicht etwa darüber, dass 21 Prozent der Befragten angab, dass sie es besser fänden, wenn wieder mehr Spieler mit weißer Hautfarbe in der deutschen Nationalmannschaft spielen würden. Sondern darüber, dass man überhaupt zulässt, dass man so eine Frage beantworten kann, dass man diese Frage überhaupt genau so stellt.
Dabei ging es ja nicht darum, sich für eine der drei Antworten zu entscheiden, sondern man musste sich bei allen drei Antworten positionieren.

Hintergrund dieser Umfrage war die Doku „Einigkeit und Recht und Vielfalt – Die Nationalmannschaft zwischen Rassismus und Identifikation“. Sie lief am Mittwochabend im Ersten.
Der Film erinnerte daran, was Gerald Asamoah schon in den 90ern auf deutschen Fußballfeldern erleben musste, wie extrem rassistisch er beleidigt worden war. Der Film zeigte aber auch, wie die Weltmeister-U17-Mannschaft in den sogenannten Sozialen Medien beschimpft wurde, weil so viele angeblich nichtdeutsche Spieler dabei waren. Es ging auch um den Streit um Mesut Özil, der sich mit dem türkischen Präsidenten fotografieren ließ, was hierzulande ein Sturm der Entrüstung lostrat.

Der Film zeigte auch auf, dass Spieler und Spielerinnen mit Migrationshintergrund so lange gefeiert werden, wie sie erfolgreich sind. Deutsch zu sein, heißt, Leistung zu bringen. Leistung werde belohnt, schlechte Leistung werde abgestraft – und im Fall von Spielenden mit Migrationshintergrund heißt das dann oft, dass sie rassistisch beschimpft werden.

Also alles gut in Deutschland? Ganz sicher nicht. Rassismus macht sich immer breiter, und wir regen uns auf, dass der WDR eine Frage stellt, deren Antwort genau das Problem aufzeigt. Am liebsten wollen wir darüber gar nicht reden, und das ist falsch. Wer die Umfrage kritisiert, sollte diese Doku sehen.

-> Die Doku in der ARD-Mediathek (bis 31. Mai 2025)


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