Wie war das damals eigentlich, als 1993 in Köln VIVA an den Start gehen sollte, um dem großen MTV Konkurrenz zu machen?
Darum geht es in einem Buch von Markus Kavka und Elmar Giglinger: „MTViva liebt dich! – Die elektrisierende Geschichte des deutschen Musikfernsehens“ haben sie allerdings nicht als „historische Erzählung“ aufgeschrieben, sondern als sogenannte Oral-History. Das heißt: Das Buch besteht fast ausschließlich aus Interview-Passagen. Oder anders: Die damaligen Protagonisten erzählen die Geschichte in wörtlicher Rede aus jeweils ihrer Sicht.
Die Leute der Liste, in diesem Buch zu Wort kommen, ist sehr lang. Mit dabei sind Moderatoren von VIVA und vom späteren deutschen MTV, aber auch Programmverantwortliche und Musikschaffende aus der damaligen Zeit. Von Heike Makatsch über Nilz Bokelberg, Christian Ulmen und Matthias Opdenhövel, über die Medienmanager Dieter Gorny und Catherine Mühlmann bis hin zu Campino und Judith Holofernes.
Das ist alles recht spannend, einerseits. Zu lesen, wie die Situation in den 80ern war, wie MTV eine Marktmacht hatte, obwohl es nur von London aus sendete und kaum deutsche Musiker vorkamen, ist interessant. Auch, wie 1993 VIVA entstand. Von der Gründung, über das Casting, dem Sendestart, der Skepsis, dem Erfolg. Auch der Kampf zwischen VIVA und MTV, der entstanden war, sorgt für eine spannende Lektüre.
Dabei muss man aber sagen, dass die Geschichte rund um VIVA sehr viel interessanter ist als die von MTV, die sich immer cooler vorkamen, aber eher arrogant waren, was in diesem Buch (vielleicht auch aus Versehen) manifestiert wird. Der MTV-Teil der Story ist wesentlich langweiliger als der von VIVA.
Relativ ausführlich wird auch die Fusion von VIVA und MTV erzählt – als Viacom VIVA schluckte und die Firma irgendwie zusammengeführt werden musste.
So richtig gut gut geworden ist das Buch dennoch nicht, andererseits. Erstens weil es an vielen Stellen seltsam wiederholend ist. Da muss dann Person X nochmal sagen, was Person A gerade schon mal gesagt hat. Auch die ewig langen Erzählungen über Saufgelage, über die MTV-Awards und den VIVA-Cometen langweilten eher.
Auch ist es schade, dass fast ausschließlich auf Erzähltes gesetzt wird. Manchmal hätte man sich auch eine textliche Einordnung gewünscht.
Ärgerlich ist, dass der Niedergang und das Ende ganz fix noch auf wenigen Seiten runtererzählt wird. Das hätte ausführlicher sein müssen. Das wirkt wie eine ärgerliche Pflicht, die man fast vergessen hätte.
Und zur Geschichte des deutschen Musikfernsehens gehört, glaubt man dem Buch, auch nur VIVA und MTV. Dass es auch noch andere Sender gab, hätte man wenigstens mal erwähnen können.
Fazit: Die erste Hälfte des dicken Buches ist sehr lesenswert und über weite Strecken sehr unterhaltsam. Danach wird es etwas zäh und zum Ende hin geradezu lahm.
Markus Kavka / Elmar Giglinger: MTViva liebt dich! – Die elektrisierende Geschichte des deutschen Musikfernsehens
Ullstein extra, 528 Seiten
6/10
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