Jan Weiler: Der Markisenmann

Bei Kim (15) läuft es gerade nicht so gut. Mit ihren Eltern versteht sie sich nicht besonders gut, und dann bleibt sie in der Schule auch noch sitzen. Bei einer Familienfeier kommt es zu einem schwerwiegenden Zwischenfall, dessen Auslöser Kim ist.
Während ihre Eltern zu einem sechswöchigen Urlaub aufbrechen, beschließen sie, dass Kim daheim bleiben muss. Das heißt, nicht ganz daheim.
In den sechs Wochen soll Kim zu ihrem leiblichen Vater. Sie kennt ihn nicht. Sie kennt ihn nur aus Erzählungen, wenn ihr Stiefvater Heiko immer nur vom „feinen Herrn Papen“ spricht.
Ronald Papen wohnt in einer alten Lagerhalle im Ruhrpott. Er verkauft alte Markisen aus DDR-Restbeständen.
Anfang ist Kim schwer genervt. Aber dann taucht sie ein in den Kosmos des Gewerbegebietes und der dort lebenden Menschen. Sie lernt Alik kennen, und sie ist unterwegs mit ihrem Vater – Markisen verticken.

Der Autor Jan Weiler entführt uns diesmal in einen Kosmos, der zwar nicht aufregend zu sein scheint und auch irgendwie wunderlich. Aber es wäre kein Jan-Weiler-Roman, wenn er es nicht schaffen würde, den Leser dennoch in den Bann zu ziehen.
Denn es ist nicht nur die außergewöhnliche Szenerie, die sich in „Der Markisenmann“ als überaus interessant herausstellt, denn erzählt wird auch eine sehr außergewöhnliche, herzzerreißende Familiengeschichte. Der allerdings muss Kim erst im Laufe des Geschehens selbst auf den Grund gehen.
Zu lesen, wie das 15-jährige Mädchen mehr und mehr zu sich findet, wie sie ihren Vater beobachtet, schätzen und lieben lernt, wie sie beginnt, die schrulligen Leute in ihrer neuen Umgebung so anzunehmen, wie sie sind, wie sie sich mit einem Jungen anfreundet, ist einfach schön zu lesen.
Und auch, wenn Ronald und Kim unterwegs im Ruhrpott sind, um die Markisen zu verkaufen und bei den Leuten vor der Tür stehen und manchmal sogar rein dürfen, ergeben sich spannende und auch rührende Momente.
Es gibt nur sehr wenige Längen in diesem Roman. Ansonsten aber ist Jan Weiler ein Roman gelungen, der mit viel Herz, Wärme, Witz, Lokalkolorit und tollen Menschenbeobachtungen punktet.
Am Ende wird Kim eine andere sein, und auch als Leser denkt man am Ende: Wow, was für eine Story!
Kleiner Schönheitsfehler: Das Buch ist in der Hardcover-Version in Plastik verschweißt, und der Buchtitel ist mit einem schmalen Stück glatten Papier extra als Mini-Umhüllung angebracht. Erstens macht es die Herstellung des Buches sicherlich noch ein Stück aufwändiger und teurer und zweitens nervt die Umhüllung beim Lesen, so dass man sie am besten irgendwo ins Buch legt. Überflüssig und unnötig.

Jan Weiler: Der Markisenmann
Heyne, 336 Seiten
9/10


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