Hervé Le Tellier: Die Anomalie

Ein schrecklicher Flug über den Atlantik. Im März 2021 fliegt eine Boeing 787 von Paris nach New York. Auf dem Weg dorthin gerät der Flieger in ein schreckliches Unwetter – es ist nicht möglich, es zu umfliegen oder irgendwo zu landen. Die Turbulenten sind extrem heftig, es kommt zu Schäden. Doch plötzlich – das Unwetter ist weg, das Flugzeug kann landen.
Doch als es landet, sorgt es für Aufsehen, das Militär greift ein, Personal und Passagiere werden auf einem abgelegenen Flughafen festgehalten.
Denn: Es ist bereits Juni. Und im März ist derselbe Flieger mit denselben Schäden und mit denselben Menschen schon einmal gelandet.
Alle Leute, die im Flieger saßen – oder in den beiden Fliegern saßen – führen nun wohl ein Doppelleben.

„Die Anomalie“ heißt der Roman von Hervé Le Telliert, der sich mit einer spannenden Frage beschäftigt: Was passiert eigentlich, wenn das beschriebene Szenario wirklich so eintrifft? Wenn es plötzlich jeden Menschen aus dem Flugzeug zweimal gibt?
Die Geschichte hat also das Zeug ein großer Roman zu werden. Ist es dann aber leider doch nicht. Über viele Seiten hinweg erzählt der Autor zunächst Geschichten von irgendwelchen Menschen, die mehr oder weniger interessant sind, und als Leser ist unklar, was das eigentlich soll, weil es auch nicht so richtig einen roten Faden gibt. Dann plötzlich, nach vielen Seiten, wird die Unwetterszene beschrieben, die in der Art extrem spannend ist.
Danach berichtet Le Tellier von den Ereignissen im Flughafen, und das letzte Drittel befasst sich mit den Menschen, und wie sie mit ihren Doppelgängern zusammengeführt werden. Diese Kapitel sind durchaus interessant – Höhepunkt ist ein Kapitel, wo so ein „Pärchen“ Gast in einer US-Late-Night-Show sind, und vor der Tür alles eskaliert, weil radikale Christen ausrasten.
Die Szenen, in denen Wissenschaftler den Präsidenten der USA und anderer Länder erklären, was da passiert ist, sind ganz lustig, ufern aber aus zu philosophischen Abhandlungen, die dann eher lahm sind.
Der langatmige Anfang schmälert die Lesefreude, und irgendwie muss man auch sagen, dass die erzählten Konsequenzen aus dieser ganzen Sache, ruhig ein bisschen aufregender und interessanter hätten sein können.
Toller Stoff, nicht wirklich toll umgesetzt.

Hervé Le Tellier: Die Anomalie
Rowohlt Hundert Augen, 350 Seiten
5/10


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Kommentare

2 Antworten zu „Hervé Le Tellier: Die Anomalie“

  1. ThomasS

    Vor Kurzem erschien auf Netflix die 4. Staffel der Mystery-Serie „Manifest“. Da geht es ebenfalls um einen Flug, der mit erheblicher Verspätung sein Ziel erreicht. Vielleicht hat sich der Buchautor davon inspirieren lassen.

    Doppelgänger kommen in der Serie allerdings nicht vor.
    Jedenfalls bis jetzt nicht.
    Die Geschichte ist noch nicht auserzählt …

  2. RT

    Vermutlich ist die Serie so lange nicht auserzählt, wie sie Klicks bekommt. 😀

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