MO 24.10.2022 | 20.15 Uhr | Das Erste
Manchmal ist die ARD doch noch flexibel. Weil man offenbar erkannt hat, wie wichtig und spannend das Thema um die Ostdeutschen und Russland ist, wurde die Doku am Montagabend vom Spätprogramm um 22.50 Uhr auf die Primetime um 20.15 Uhr verschoben. Gut so!
„Russland, Putin und wir Ostdeutsche“ hieß die Doku. Das „wir“ ist dabei besonders wichtig, denn bei diesem Film handelt es sich eben nicht, um eine äußere Draufsicht aus westdeutscher Sicht. Stattdessen bereiste Jessy Wellmer den Osten. Die Journalistin ist in Güstrow in Mecklenburg-Vorpommern geboren worden, ist also ein Ossi.
Es ging um die Frage: Warum stehen so viele Ostdeutsche eigentlich auf dem Standpunkt, dass die Russen gar nicht so schlimm seien. Warum hat der Osten eine größere Nähe zu Russland?
Ich bin sogar noch ein Jahr älter als Jessy Wellmer – und ich bin auch Ossi. Ich kann nicht behaupten, dass mir Russland nahe stand und steht. Die oft angepriesene deutsch-sowjetische Freundschaft in der DDR habe ich so nicht wirklich erlebt. Es gab sie, aber es war immer etwas, was von oben diktiert wurde. Für uns waren „die Russen“ immer die, die in unserer Stadt in der Kaserne hinter der Mauer lebten. Eine Stadt in unserer Stadt, ein großes Geheimnis. Aber eine besondere Nähe habe ich nie gespürt.
Warum soll es nun aber bei so vielen anderen Ostdeutschen so sein?
Gregor Gysi sagt, die Menschen in der DDR haben die Russen immer als Friedensmacht gesehen. Heute sehe er das anders, aber scheinbar viele anderen nicht.
Jessy Wellmer trifft auf einen ehemaligen Offizier, der davon faselt, dass die heute Demokratie ja gar keine sei. Die heutigen Verhältnisse seien schlimmer als in der DDR. Das ist ein erschreckend unreflektiertes Gefasel, aber auch wenn es die DDR seit 32 Jahren (!) nicht mehr gibt, scheinen die damaligen Losungen immer noch im Kopf zu sein. Bei einer Demo trifft Wellmer auf eine Gruppe Frauen, die dem Fernsehen nichts mehr glauben. Wobei das vermutlich eher das Ergebnis von heutiger rechter Propaganda ist als die Nähe zu Russland. Etwas, was seltsamerweise in der Doku kaum thematisiert wurde. Wenn eine AfD im Osten fast 30 Prozent erreicht, dann trägt deren Propaganda auch Früchte.
Ehrlich gesagt hat die Doku weniger wirkliche Antworten geliefert, aber immerhin ein paar Denkanstöße geliefert. Und es ist gut, dass man sich überhaupt mal näher mit diesem Phänomen befasst – zur besten Sendezeit.
-> Die Sendung in der ARD-Mediathek (bis 24. Oktober 2027)
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