SA 22.10.2022 | 20.15 Uhr | Das Erste

Der mdr hat gekniffen. Eigentlich sollte am Sonnabend die nächste große Schlagerparty mit Florian Silbereisen über die Bühne gehen. Der „Schlagerbooom“ gehört zu den großen Events in der Dortmunder Westfalenhalle – live im Ersten. Doch daraus wurde nichts, der mdr sagte die Show ab. Zu unsicher, wegen Corona.
Dass gerade erst die Wiesn in München zu Ende gegangen ist, dass jeden Tag in Deutschland große Konzerte in Konzerthallen stattfinden – egal, beim mdr siegte die Vorsicht, vielleicht in diesem Fall die Übervorsicht.
Stattdessen wichen die Showmacher auf das Leipziger mdr-Studio aus, und statt des „Schlagerboooms“ zauberte man ein Jubiläum aus dem Hut. Denn im Zuge der Showabsage scheint aufgefallen zu sein: Huch, ist ja Silbereisens 100.!
So lief am Sonnabendabend „Das große Schlagerjubiläum – auf die nächsten 100!“ Wobei das Wort „groß“ – nun ja. Im Vergleich zur Westfalenhalle fiel dieses Jubiläum eher poplig aus.

Und so frisch und partymäßig die modernen Schlagershows seit ein paar Jahren rüberkommen, so muffig und öde war diese Show am Sonnabend. Das lag nicht nur am Studio-Ambiente. Das lag vor allem daran, dass man als Zuschauer das Gefühl hatte, alles schon mal gesehen zu haben.
Am Freitag zeigte Jan Böhmermann im ZDF eine junge oder moderne Musikshow. Dagegen wirkte die Schlagersause im Ersten wie ein fauliger Apfel, der vom Baum fällt.

Die Kelly Family war zu Gast und durfte denselben weihnachtlichen (!) Song vortragen, den sie auch schon beim Schlagercomeback im Juli vortrug. Nena war auch zu Gast und sang teilweise die Hits, die sie auch schon beim Schlagercomeback im Juli vortrug. Jürgen Drews war zu Gast und sang den Song, den er auch schon bei der Schlagerstrandparty im Juli vortrug. Alphaville war auch da – mit dem Song, den die Band auch schon beim Schlagercomeback im Juli vortrug. Helene Fischer war da – wie auch schon beim Schlagercomeback.
Und so weiter. Man könnte die Gästeliste durchgehen, und einige davon sind Dauergast.

Erstmals dabei war Undine Lux. Sie wurde in einem zweifelhaften Auswahlverfahren innerhalb einer mdr-Show eine Woche zuvor ausgewählt. Nicht etwa in einer Zuschauerwahl, sondern von einer Schlagerpromijury, bei denen jeder von ihnen Pate für einen Kandidaten war. Was soll bei so einer Wahl rauskommen?

Das Publikum scheint das Spektakel auch nicht so wirklich interessiert zu haben, das Stimmengewirr während der Interviews war sehr laut. Allerdings: Interviews? Florian Silbereisen beschränkte sich in den Interviews mit seinen Gästen mit dem Vorlesen von angeblichen Zuschauerfragen. Aber klar, was soll er die Leute auch noch Fragen, er hat sie alle ja ständig bei sich. Und wenn Silbereisen schon Jubiläum feiert, warum feiert er sich in seinen Einspielern immer nur sich selbst? Wollte niemand gratulieren?
Der Show würde mehr Vielfalt auf jeden Fall gut tun. Und wieder mehr Schwung. Oder wie Olaf Scholz sagen würde: mehr Wumms!

-> Die Sendung in der ARD-Mediathek (bis 21. November 2022)