Im Westen nichts Neues

1930. 1979. Und jetzt noch mal. Braucht es wirklich eine dritte Verfilmung des Kriegsromans „Im Westen nichts Neues“? Reichen nicht die beiden Filme, die es schon gibt?
2022 gibt es erstmals eine deutsche Adaption der Geschichte, die Erich Maria Remarque 1928, zehn Jahre nach Ende des Ersten Weltkrieges, veröffentlicht hatte.

Das dritte Kriegsjahr, Frühjahr 1917. Der junge Abiturient Paul Bäumer (Felix Kammerer) fälscht sogar die Unterschrift seines Vaters, um in den Krieg ziehen zu dürfen. Alle seine Freunde aus seiner Klasse wollen es auch. Sie sind heiß drauf. Sie freuen sich.
Sie bekommen alle ihre Uniformen und werden an die Westfront gebracht. Dort bekommen sie sehr bald die geballte Wucht des Krieges zu spüren. Ein Lazarett mit vielen Schwerverletzten und Toten. Matsch, Dreck. Und dann Bomben, Schüsse, brutalste Gewalt. Sie haben sich das alles anders vorgestellt.
18 Monate später, Herbst 1918. Der Krieg zeigt immer noch seine hässliche Totenfratze. Es geht um das nackte Überleben, und der deutsche Staatssekretär Matthias Erzberger (Daniel Brühl) verhandelt unterdessen über einen Waffenstillstand.

Sehr schnell merkt man als Zuschauer, wie bei den Jungs Vorstellung und Realität aufeinanderknallen. Binnen weniger Minuten geht es raus aus der sauber-schicken Schule ins Kriegsgebiet. In den Dreck. Dahin, wo der Tod ist. Binnen weniger Minuten erleben wie einen Bombenangriff auf die Soldaten, und wir sehen die nackte Angst.
Dabei weicht die 2022er-Version von „Im Westen nichts Neues“ von Edward Berger an einigen Stellen von der Vorlage ab. Die Jungs in diesem Film starten erst 1917 in den Krieg, und neu ist auch, dass der Film eine weitere Ebene zeigt: die politischen Verhandlungen im Hintergrund. Das ist clever, weil es noch mal extrem verdeutlicht, was diese Geschichte uns sagen soll. Denn während die Soldaten im Dreck liegen und um ihr Leben kämpfen, während sie in Kampfpausen Essensreste suchen oder Tiere klauen und schlachten, speisen die Kriegsherren und Politiker vornahm und beschweren sich über das Baguette von gestern. Während um einen Waffenstillstand gerungen wird, gännt man den Soldaten keine Pause. Und auf den Punkt kommt das Ganze, als ein Waffenstillstand ausgehandelt wird, er aber erst sechs Stunden danach in Kraft tritt. Was den Befehlshaber vor Ort nicht davon abhält, seine Jungs in ein blutiges, tödliches und vollkommen sinnfreies Gefecht schickt.
Es sind schockierende Momente, weil man diesem Wahnsinn mehr oder weniger schonungslos ausgesetzt ist. Von den Jungs aus der Klasse scheint niemand sicher zu sein. Die Botschaft ist vollkommen klar: Krieg ist scheiße. Das war er vor 104 Jahren, und das ist er heute.
Unterstützt wird der Film von tollen Soundeffekten und spärlich eingesetzter, aber dafür umso kraftvollerer Musik. Manchmal nerven allerdings nuschelnde, verständliche Satzfetzen redende Darsteller (was nicht an der möglichen Situation liegt).
Daniel Brühl spielt Matthias Erzberger ganz dicht vor der Karikatur, aber der Wille, dem Wahnsinn ein Ende zu bereiten, wird dennoch deutlich. Devid Striesow ist ein Befehlshaber an der Front, der unerbitltich weitermorden lässt. Felix Kammerer ist Paul, dem man die Angst, die Verzweiflung ansieht. In weiteren Rollen spielen u.a. Albrecht Schuch, Aaron Hillmer und Edin Hasanovic.

Und warum brauchte es nun diese Neuverfilmung? Leute unter 30 kennen das Buch und die Filme unter Umständen gar nicht mehr. Sie sollten den Stoff aber kennen. Der Film ist vier Wochen im Kino zu sehen, dann startet er bereits auf Netflix, denn der Streaminganbieter hat den Film produziert. Es ist ihm zu wünschen, dass er ein breites Publikum erreicht. Und dass er diese wichtige Botschaft verbreitet.

-> Trailer auf Youtube

Im Westen nichts Neues
D / USA / GB 2022, Regie: Edward Berger
Netflix, 148 Minuten, ab 16
10/10


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Kommentare

3 Antworten zu „Im Westen nichts Neues“

  1. […] 1. Im Westen nichts Neues […]

  2. […] BESTE FILMIm Westen nichts Neuesaußerdem:Top Gun: MaverickMittagsstundeBrosTriangle of […]

  3. […] der anderen“ – und davor nur zwei weitere Male. Dass nun 2023 die Neuverfilmung von „Im Westen nichts Neues“ dermaßen abgeräumt hat, ist ein riesiger und vor allem verdienter Erfolg. Die Preise gab es für […]

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